ZfIR 2023, 195

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1433-0172 Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR 2023 ZfIR-ReportGerhard Schmidberger*

Jahrestagung der Zwangsverwalter 2023

2022 ging es bereits wieder aufwärts – zumindest, was die Präsenztagung anbelangte. 2023 setzte die DAV-Arbeitsgruppe Zwangsverwaltung erneut eine Nur-Präsenzsitzung an und wurde mit einer ordentlich großen Schar an Teilnehmern belohnt. Ein gut aufgelegter Tagungsleiter, RA Peter Depré, begrüßte die Runde: Man dürfe die Zwangsverwaltung nicht vergessen, auch wenn diese bei der Erhöhung der Vergütung aus dem Raster gefallen war. RAin Dr. Anne Deike Riewe, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Insolvenz und Sanierung, freute sich in ihrer kurzen Einführungsrede, die Anwesenden begrüßen zu dürfen. Sie strich heraus, dass es durchaus seinen Charme habe, in auch einer nur kleineren Runde zusammen zu sein. Die Hauptveranstaltung der ARGE Insolvenz und Sanierung könne mit über 1.000 Personen so eine Nähe nicht bieten.
„Es war Aufgabe von Prof. Dr. Florian Jacoby, Universität Bielefeld, den Auftakt zu gestalten.“ Das hatte ich letztes Jahr geschrieben und dies stimmt auch für heuer. Der Veranstalter gab ihm das Thema: „Die kalte Zwangsverwaltung – Pro und Kontra, Vor- und Nachteile und No-Gos“ vor – und Jacoby war voll der Zweifel, ob er mit diesem Thema die 90 Minuten, die das Programm vorsah, auch füllen könnte. In der Insolvenz seien die Mieten bereits beschlagnahmt, aber für einen dinglichen Zugriff bedürfe es doch der förmlichen Beschlagnahme im Rahmen einer Zwangsverwaltung,1 und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens könne § 49 InsO nur über eine Zwangsverwaltung aktiviert werden.2 Zwei Verwaltungen, um Miete zu vereinnahmen, das sei umständlich und unnötig, so fänden sich Insolvenzverwalter und Gläubiger zusammen, und vereinbarten die sog. kalte Zwangsverwaltung, laut BGH bezeichnet als „stille Zwangsverwaltung“.3 Es werde so eine fiktive Zwangsverwaltung vereinbart. Der Vertrag, welcher Typus überhaupt (?), wohl am ehesten ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB, lege aber bereits von vorneherein die Vertragspartner fest – zum einen den absonderungsberechtigten Grundpfandgläubiger als Geschäftsherrn, klar – aber beim Auftragnehmer müsse man unterscheiden zwischen der Amtsperson oder der Privatperson, die als Insolvenzverwalter bestellt ist. Hier gebe der BGH Klarheit, Vertragspartner kann nur der Amtsverwalter sein, also gerade nicht die Privatperson.4 Ausführlich besprach Jacoby die Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Verwalters. Die Zulässigkeitsgrenzen wurden aufgezeigt. Hierbei kam § 45 BRAO zur Sprache. Als es um die Vorteile einer kalten Zwangs-ZfIR 2023, 196verwaltung ging, kam eine intensive Diskussion auf. Man dürfe, so aus der Runde, nicht vergessen, dass eine Verwaltung aus einer Hand gerade bei einem Verkauf sehr vorteilhaft sei. Zwangsverwalter seien oft nicht kooperationsfähig, was nicht unwidersprochen blieb. Auch könne mit der „kalten“ die mieterfreundliche Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats hinsichtlich der verschwundenen Kaution oder Abrechnung für vergangene Zeiten unterlaufen werden. No-Gos seien eine Schlechterstellung der Masse5 sowie eine Vergütung des Insolvenzverwalters privatautonom abseits der InsVV. Dank der regen Diskussionen war doch genügend Zeit für den Vortrag eingeplant. Jacobys Bedenken somit hinfällig.
Für Prof. Rainer Goldbach entpuppte sich der Vortrag in Berlin nun als Heimspiel, ist er doch seit Kurzem Dozent an der HWR, Berlin. Teil I war(en) die „Vorteile einer Zwangsverwaltung bei der zwangsweisen Immobilienverwertung“. Einleitend besprach Goldbach die lineare Abwärtsentwicklung der Eingangszahlen sowohl der Zwangsversteigerungen als auch Zwangsverwaltungen. Gefühlt, da es keine gesonderte Statistik gebe, seien die Aufhebungsversteigerungen zu 80 % mittlerweile das Geschäft der Versteigerer. Die Zwangsverwaltung wurde grundlegend aufgearbeitet. Die Ziele herausgekehrt. Auch ertragslose Zwangsverwaltungen seien rechtmäßig.6 Das Amt des Zwangsverwalters wurde beleuchtet. Umfangreich wurde die Beendigung der Zwangsverwaltung behandelt. Der Referent ging dabei auf diverse Entscheidungen ein. Wie sich heute eine Zwangsverwaltung zeigt, wurde dargelegt.
Teil 2: „Grundsteuerreform – Was muss der Zwangsverwalter speziell beachten?“ Ein brandheißes Thema. Jedes Grundstück muss neu bewertet werden – eine Herkulesaufgabe für Eigentümer und Finanzverwaltung. Auch für Zwangsverwalter? Bevor Goldbach sich an die Beantwortung wagte, erfolgten allgemeine Ausführungen zur anstehenden Grundsteuerreform. Das Plenum war sich mit dem Dozenten einig, Anweisungen des Vollstreckungsgerichts kann es nicht geben. Der Zwangsverwalter muss sich schon mit der Finanzverwaltung selbst auseinandersetzen, ein Wegducken geht nicht. Ob der Zwangsverwalter verpflichtet ist, konnte leider nicht eindeutig geklärt werden. Für Baden-Württemberg jedenfalls kann der Zwangsverwalter als solcher im Elster-Datensatz erfasst werden.
Prof. Ulrich Keller, Berlin, war auch dieses Jahr wieder dreidimensional anwesend. Die Teilnehmer durften sich wieder einmal auf einen kurzweiligen Ritt durch die „Aktuelle(n) Entwicklungen der Rechtsprechung zur Zwangsverwaltung“ freuen. Wie immer hielt Keller seine persönliche Meinung zu Entscheidungen nicht zurück. Wo Kritik angebracht war, wurde diese geäußert. Von seinem umfangreichen Skript mit 67 Seiten, stellte Keller 12 ausgesuchte Entscheidungen vor. Grundschulden werden vor dem Notar bewilligt, dabei wird auch häufig der dingliche Duldungsanspruch für vollstreckbar erklärt und eine Klausel wird sofort erteilt, was sich eindeutig mit § 1193 Abs. 1 Satz 2 BGB (6-monatige Kündigungsfrist) beißt. Hier habe der BGH klargelegt, das Vollstreckungsgericht prüfe keine materiellrechtliche Einwendungen – dies wäre anders gesehen auch grundsätzlich falsch, so Keller.7 Warum so umständlich, zu VG Wiesbaden, ein Ersteher hafte nicht für rückständige Grundsteuern. Das VG hätte sich die Sache leichter machen können, hätte es sein Urteil auf § 56 Satz 2 ZVG gestützt. Kurios, aber wo keine Gemeinschaft besteht, kann § 180 ZVG nicht zum Zuge kommen.8 Keller ging auf den Unterschied ein, wonach eine Forderungsversteigerung in ein hälftiges Miteigentum möglich ist, wenn es der Alleineigentümer mit einer Belastung übernimmt. Für Anwälte nicht schön, aber so vom BGH entschieden: Bei einer Versteigerung von Ehegatten, gibt es die Gebühr nach RVG aber nur einmal.9 Zwei Entscheidungen im Bereich der Vermögensabschöpfung wurden behandelt. Abschließend warf Keller einen Blick auf das MoPeG,10 das das Recht der BGB-Gesellschaft ab 1. 1. 2024 neu regelt.
Strafrecht und ZVG, das wird aufgrund der Vermögensabschöpfung immer akuter. So war es mehr als konsequent, diesen Bereich auch dieses Jahr auf die Agenda zu setzen. Für die „strafrechtliche Vermögensabschöpfung und ihr Echo in der Rechtsprechung zur Zwangsverwaltung“ war Folker Bittmann, RA und ltd. OStA a. D. eingeladen worden. Ein kleiner Eingangsfall führte sofort in die Untiefen der Auseinandersetzungen des Strafrechts mit dem Zivilrecht. Das Strafrecht, so Bittmann, tue sich etwas schwer mit den feinen Ziselierungen im Zivilrecht. Im Strafrecht gehe es um strafrechtliches Verschulden, Verurteilung und Strafe. Die Unterschiede zwischen Einziehung und Wertersatz wurden erklärt. Leider seien die Begriffe nicht eindeutig definiert. So sei das „Tatobjekt“ nicht klar ausgewiesen. Bargeld sei per se verdächtig, aber der Besitz von Bargeld sei noch nicht strafbar. Die Anordnung von Maßnahmen erfolge regelmäßig durch das Gericht, die Vollziehung hingegen durch die StA. Eine Erkenntnis ließ aufhorchen, Straf(verfahrens)recht könne Zivil(verfahrens)recht nicht verdrängen. Eine Verwaltung von Immobilien über § 111m StPO sei bei bereits bestehender Zwangsverwaltung nachrangig und könne sich bis zu deren Aufhebung nicht auswirken. Der Zwangsverwalter könne der „besonderen Person“ nach § 111m StPO sogar Hausverbot erteilen. Sinnvoll wäre allemal eine sachgerechte Vereinbarung von StA und Zwangsverwalter. Im Sinne des § 851b ZPO sollte der Zwangsverwalter die notwendigen Kosten des Grundstücks aus den Einnahmen bezahlen dürfen. Auf Folie 26 wurden vernünftige Vorschläge zur Zusammenarbeit mit der StA präsentiert.
Leider fiel ein Punkt aus. Dr. Christian Schernitzky, RD beim BMJ, sollte zu „Aktuellem aus dem Ministerium zum ZVG“ vortragen. Depré verkündete, die Vorschläge seien noch nicht für eine Veröffentlichung reif, würden aber demnächst herausgegeben. Man darf gespannt sein. Die vom BMJ abgesandte Kollegin, Rechtspflegerin Claudia Liebreich, zeigte sich hinsichtlich des Stands der Bearbeitung zugeknöpft. Auf Rückfrage nur so viel, es darf unterstellt werden, das neue ZVG dürfte bei den aktuellen Verhandlungen der Koalitionsspitzen kein Streitpunkt sein. Auf jeden Fall gehen die Themen nicht aus. Der ZVG-Änderungsentwurf dürfte im Zentrum der nächsten DAV-Tagung, die im März 2024 stattfinden wird, stehen.
*
*)
Diplom-Rechtspfleger, Heilbronn
1
1)
BGH v. 17. 9. 2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 = ZfIR 2010, 114 (LS) = ZVI 2010, 58.
2
2)
BGH v. 30. 4. 2020 – IX ZR 162/16, ZfIR 2020, 627 (m. Anm. Eckardt, S. 633) = ZRI 2020, 361 = ZVI 2020, 347 = IGZInfo 2020, 47, dazu Clasen, IVR 2020, 90, 113.
3
3)
BGH v. 10. 6. 2021 – IX ZB 51/19, ZRI 2021, 674 = ZVI 2021, 360 = ZIP 2021, 1503.
4
4)
BGH v. 14. 7. 2016 – IX ZB 31/14, ZfIR 2017, 27 (m. Bespr. Depré, S. 1).
5
5)
Zur Haftung bei kalter Zwangsverwaltung: OLG Köln v. 23. 12. 2020 – 2 U 14/17.
6
6)
BGH v. 30. 1. 2004 – IXa ZB 233/03, ZfIR 2004, 440.
7
7)
BGH v. 28. 4. 2022 – V ZB 12/20, ZfIR 2022, 388 (LS).
8
8)
BGH v. 23. 6. 2022 – V ZB 32/21, ZfIR 2022, 552 (m. Anm. Becker, S. 554).
9
9)
BGH v. 22. 9. 2022 – V ZB 2/20, ZfIR 2023, 104 (LS).
10
10)
Gesetz v. 10. 8. 2021, BGBl I, 3436.

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