ZfIR 2024, 132

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1433-0172 Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR 2024 ZfIR-ZeitschriftenkompassGerhard Schmidberger*

ZfIR-Zeitschriftenkompass

Einen besseren Überblick über die zahlreichen Publikationen zu dem Thema Liegenschaftsvollstreckung bietet Ihnen der ZfIR-Zeitschriftenkompass. Viermal im Jahr werden an dieser Stelle ausgesuchte Aufsätze aus relevanten Zeitschriften zu diesem Thema von Herrn Dipl.-Rechtspfleger Gerhard Schmidberger zusammengefasst und besprochen. Die Zeitschriftenschau erscheint jeweils in den Ausgaben: ZfIR 3, ZfIR 6, ZfIR 9 und ZfIR 12.

Allgemein

1.069. Aufdach-Photovoltaikanlage auf selbstbewohntem Wohnhaus; Unternehmereigenschaft des Betreibers; Verkauf des Grundstücks samt Photovoltaikanlage

Ohne Autor (DNotI 2023, 123 – 127)
Solaranlagen, vor Jahren ein Exotenthema, liefern nicht nur Strom, sondern auch manch interessantes Rechtsproblem sowohl in der Kautelarpraxis als auch bei den Vollstreckungsgerichten. Das DNotI bildet einen hübschen Fall. Die Ehefrau ist die Grundstückseigentümerin, dem Ehemann gehört die Aufdachanlage. Haus mit Photovoltaik soll verkauft werden. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass hinsichtlich des Betriebs der Aufdachanlage keine Unternehmenseigenschaft vorliege. Der Ehemann sei Verbraucher nach § 14 BGB.
Anm. des Verfassers des Kompass: Dem Vollstreckungsgericht ist es einerlei, ob es sich beim Schuldner um einen Verbraucher handelt oder nicht. Bei der Versteigerung kommt es nur darauf an, ist die Anlage beschlagnahmt oder nicht.

1.070. Mietforderungen in der Vollstreckung

Peter Kraus (KKZ 2023, 222 – 226)
Mietforderungen sind grundsätzlich nach § 309 AO bzw. § 829 ZPO pfändbar. Sie stünden, so der Autor, mit dem Grundstück in Beziehung, woraus sich besondere rechtliche Aspekte erge-ZfIR 2024, 133ben. Schuldnerschutzvorschriften seien zu beachten (§ 851b ZPO bzw. § 850i ZPO), wobei allerdings in der Zwangsverwaltung diese nicht gelten, unter Bezug auf BGH (v. 10. 10. 2019 – V ZB 154/18, ZfIR 2020, 149 (m. Anm. Meller-Hannich, S. 152); dazu Schmidberger, IVR 2020, 17). Der Haftungsverband der Hypothek ist dargestellt. Nur die Zwangsverwaltung erfasse Mietforderungen, nicht hingegen die Zwangsversteigerung. Die komplizierte Rechtslage zu § 1124 BGB, der Behandlung von beschlagnahmten, aber zugunsten Dritter verfügten Mietforderungen, wird analysiert. Zur Zwangsverwaltung sei mit Vorsicht zu raten. Denn werde das Verfahren notleidend, könne den betreibenden Gläubiger der Bumerang mit der Hingabe eines Vorschusses für die Kosten des Verfahrens (explizit genannt Hausgeld, BGH v. 10. 10. 2019 – V ZB 154/18, ZfIR 2020, 149 (m. Anm. Meller-Hannich, S. 152), Rz. 16) treffen. Aspekte im Insolvenzverfahren werden behandelt. Der Beitrag endet mit Betrachtungen zur Kaution.

1.071. Betriebskostenguthaben und andere Ansprüche des Mieters in der Einzelzwangsvollstreckung

Dr. Olaf Riecke (ZMR 2023, 764 – 769)
Riecke stellt die Protagonisten vor: Der Mieter = Schuldner, der Gläubiger des Mieters und der Vermieter (= Drittschuldner) sowie der Pfändungsgegenstand: angebliche Forderungen des Mieters gegen den Vermieter, gepfändet vom Gläubiger, jedoch beansprucht vom Vermieter wegen aufrechenbarer Gegenansprüche (offene Mieten, Sachbeschädigungen u. a. m.). Die gesetzlichen Grundlagen seien zum einen im BGB (§§ 392, 404, 406) und zum anderen in der ZPO (§§ 829, 835, 836) verortet. Es wird eine Aufrechnung trotz Zahlungsverbot untersucht. In diesem Zusammenhang spielen Leistungsverweigerungsrechte des Vermieters sowie unterschiedliche Fälligkeiten der wechselseitigen Ansprüche eine Rolle. Zu Punkt VIII werden neun Fallgruppen vorgestellt. Im Fazit stellt der Autor fest: „Das Verbot des § 392 BGB erfasst auch Erfüllungssurrogate“. Jedoch könne gegenüber dem pfändenden Gläubiger aufgerechnet werden, wenn im Zeitpunkt der Beschlagnahme der Rechtsgrund der beschlagnahmten Forderung schon bestanden habe. Singulär sei die Ansicht, dass alle aus dem Mietvertrag wurzelnden Ansprüche vom Vermieter einheitlich ab- bzw. verrechnet werden müssen und damit zur Aufrechnung verwendet werden könnten.

1.072. Zwangsvollstreckungsunterwerfung durch Nießbraucher oder Wohnungsrechtsinhaber bzgl. Räumungspflicht nach Beendigung des Rechts; Auswirkung eines zusätzlichen Mietverhältnisses

Ohne Autor (DNotI-Report 2023, 155 – 158)
Das DNotI untersucht folgenden Fall: A verkauft, behält sich aber einen befristeten Nießbrauch (bzw. Wohnungsrecht) für 15 Jahre vor. Ein Mietvertrag wird nicht vereinbart. Kann eine Unterwerfung zur Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Räumungsanspruchs vereinbart werden (I), und was wäre, wenn ein Mietvertrag zusätzlich bestünde (II) – diese Fragen gilt es zu klären.
  • I. Über § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO seien sehr viele Ansprüche titulierbar. Ausnahmen werden aufgezeigt. Darunter falle nicht die Räumungsverpflichtung nach Beendigung des Nießbrauchs (bzw. Wohnungsrechts).
  • II. Neben dem dinglichen Wohnungsrecht könne auch ein schuldrechtliches Besitzmittlungsverhältnis in Form eines Mietvertrags vereinbart werden. Dies stelle jedoch die Ausnahme dar und es bedürfe daher einer zweifelsfreien, ausdrücklichen Abrede. Das Wohnungsrecht könne aber auch als Sicherungsdienstbarkeit angesehen werden. Die mietvertragliche Überlassung verbiete dann eine Vollstreckungsunterwerfung. Das DNotI weist ausdrücklich darauf hin, mangels Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur sei das gefundene Ergebnis nicht gesichert.
  • Beim Nießbrauch sei die Besitzüberlassung strukturell. Auch der Nießbrauch könne zur Sicherung eines Mietvertrags eingesetzt werden. Trotz der Einräumung des Nießbrauchs, könne der Nießbraucher dem Eigentümer über § 1059 Satz 2 BGB gestatten, mit ihm (dem Nießbraucher) einen Mietvertrag abzuschließen. Es spreche viel dafür, obwohl ebenfalls rechtlich nicht abgesichert, dass eine Unterwerfungserklärung zur Räumung nicht zulässig sein dürfte.
Seit drei Monaten kommt die GbR im neuen Gewand daher, was auch Auswirkungen auf die Vollstreckungspraxis haben wird. Neben Schroetter (ZfIR 2024, 1) gibt es weitere Abhandlungen, die auf das Problem eingehen. Diese sollen im Kompass kurz vorgestellt werden.

1.073. Übergangsrecht und Zweifelsfragen zur Grundbuchfähigkeit der eingetragenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR) nach dem MoPeG

Prof. Ulrich Keller (NotBZ 2023, 448 – 455)
Hier von Interesse: IV. Vollstreckungstitel für und gegen die Gesellschaft (ab. S. 453) – Gegen eine Alt-GbR soll vollstreckt werden, nur die Gesellschafter wollen gar keine Eintragung anstreben. Keller geht auf diese Situation ein. Der Autor sieht für den Gläubiger keine Möglichkeit einer Berichtigung, um eine Voreintragung als eGbR zu erwirken. Weder § 722 BGB noch § 736 ZPO hälfen hier weiter. § 47 Abs. 2 GBO stieße an seine Grenzen. Die nicht eingetragene GbR müsse daher zumindest für die Vollstreckung rechtsfähig sein. § 47 Abs. 2 GBO sei gut gemeint, aber wegen der Diskrepanz zur Rechtsfähigkeit nach § 705 Abs. 2 BGB unvollkommen.

1.074. Die eGbR im Grundstücksverkehr ab 1. 1. 2024

Prof. Walter Böhringer (NotBZ 2023, 441 – 447)
Hier von Interesse: V. 1. 2. b) Erwerb eines Liegenschaftsrechts einer eGbR, Zwangsversteigerungsverfahren (S. 443) – Schöner kann man es nicht ausdrücken: „Das Gericht ist in diesen Verfahren [Zwangsversteigerungsverfahren] ‚Notar‘ und ‚Grundbuchamt‘ zugleich“. Und völlig zutreffend. Gebote nur, wenn die GbR registriert sei und der Vertretungsnachweis stimme. Als Gläubiger benötige die GbR keine Registrierung, wenn sie aus persönlichem Recht betreiben möchte. Sehr wohl aber, wenn sie aus einem dinglichen Recht vorgehen wolle.
ZfIR 2024, 134
VIII. 2 c) Grundbuchsperre bei Zwangseintragungen gegen eine GbR – Unklar sei, ob eine Voreintragung bei der Eintragung einer Sicherungszwangshypothek zu verlangen sei. Böhringer zeigt den mühsamen Weg, einen Berichtigungsanspruch vollstrecken zu wollen, oder ob der Lösungsweg, wie vorgehend Keller (Nr. 1.073.), also ohne Voreintragung möglich sein könne, die Voreintragung demnach nur für Verfügungen der GbR gelten solle. Einen faktischen Vollstreckungsausschluss sollte es nicht geben (verstärkend Böhringer, Rpfleger 2023, 718, 720).

1.075. Die Auswirkungen des MoPeG auf das Grundbuchverfahren – wird nun alles gut?

Prof. Alexander Dressler-Berlin (Rpfleger 2023, 710 – 718)
Hier von Interesse: B. III. Die GbR als Schuldnerin in der Zwangsvollstreckung (S. 712) – Der Autor erkennt auf eine Voreintragung. Das Gesetz ließe eine Ausnahme nicht zu. An vier Beispielsfällen werden verschiedene Alternativen durchgespielt. Das frisch erlassene Gesetz soll ertüchtigt werden. Dressler-Berlin fordert: „Es ist Sache des Gesetzgebers, eine taugliche Lösung im Bereich der Zwangsvollstreckung durch das Grundbuchamt zu finden.“
C. 2. Die GbR als Vollstreckungsgläubigerin (S. 715) – § 47 Abs. 2 GBO sei anzuwenden, wenn für eine GbR eine Sicherungszwangshypothek einzutragen sei.

Zwangsversteigerung

1.076. Das Eigentümerwohnungsrecht ist pfändbar

Peter Mock (VE 2023, 155 – 160)
Wie wahr und treffend die Feststellung des Autors: „Um der Vollstreckung zu entkommen, sind Schuldner oft einfallsreich.“ So könne ein Wohnungsrecht zugunsten des Eigentümers Interessenten im Zwangsversteigerungsverfahren schon abschrecken, und ganz zu schweigen von der Insolvenz bei der freihändigen Verwertung. Aber nicht mit dem BGH, denn dieser ließ die Pfändung des eigenen Wohnrechtes zu (Beschl. v. 2. 3. 2023 – V ZB 64/21, ZfIR 2023, 346 (m. Anm. Hintzen, S. 349) = ZRI 2023, 449 = ZVI 2023, 224). Mock stellt die Pfändung vor:
  • Diese erfolgt nach §§ 857, 829 ZPO. Es handle sich dabei um drittschuldnerloses Recht.
  • Zum Vordruck Modul D: Die Nennung des Eigentümers als Drittschuldner sei jedoch unschädlich.
  • Modul L: Hier bloß kein Kreuz setzen. Das Stammrecht könne nicht gepfändet werden, lediglich dessen Ausübung.
  • Anlage – Sonstige Anordnungen: Entweder ist dem Gläubiger die Ausübung des Rechts zu überweisen oder es wird gleich zur Ausübung des Rechts ein zur Annahme des Amtes bereiter Verwalter bestellt.
Zur Verwertung werden Hinweise gegeben. Hier verweist Mock auf die Vorschriften, die bei der Zwangsverwaltung Anwendung finden. Auf das schuldnerische Wohnrecht, das bei der Zwangsverwaltung über § 149 ZVG geregelt ist, geht der Autor ein. Die Pfändung finde außerhalb des Grundbuchs statt. Gleichwohl sei die Eintragung der Pfändung, in der Form des § 29 GBO zu beantragen, wichtig.

1.077. Duldungsbescheid, Restschuldbefreiung, Voreigentümer, Verwirkung – Anm. zu VG Schleswig v. 15. 11. 2023 – 4 A 1/22 (ZfIR 2024, 132 (LS) – in diesem Heft)

Gerhard Schmidberger (jurisPR-InsR 1/24, Anm. 4)
Der Fall reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Grundsteuern und kommunale Benützungsgebühren blieb der Eigentümer schuldig. Den Erwerber, der das Grundstück 2005 vom Insolvenzverwalter abkaufte ereilte 2021 der Duldungsbescheid. Das VG erkannte eine Duldungspflicht hinsichtlich der noch offenen Grundsteuer, jedoch nicht für die Benutzungsgebühren. Der Autor analysiert den Beschluss. Hinsichtlich der Grundsteuer sei der Duldungsbescheid zwar rechtlich korrekt begründet worden, aber nach 17 Jahren verbleibe ein schaler Beigeschmack. Es sollte, seiner Ansicht nach, eine verpflichtende Mitteilung an den designierten Duldungsverpflichteten seitens des öffentlich-rechtlichen Gläubigers eingeführt werden, es komme eine mögliche Inanspruchnahme in Betracht. Werde dies versäumt, werde ein anschließender Haftungsbescheid ausgeschlossen. Hinsichtlich der Ablehnung eines Duldungsbescheids für die Benutzungsgebühren wird keine Praxisrelevanz gesehen. Die Benutzungsgebühren entstanden vor der Einführung des KAG für das Land Schleswig-Holstein, daher konnte es für den Käufer nicht mehr gefährlich werden. Solche Altfälle dürften kaum mehr zu erwarten sein.

1.078. Enthaftungsvereinbarungen für grundpfandrechtlich belastetes Zubehör

Dr. Jan Frederik Heuer (BKR 2023, 381 – 385)
Ein Problem – so ziemlich viel, was sich auf dem Grundstück an Sachen tummelt, läuft Gefahr in den Haftungsverband der Hypothek zu fallen, §§ 1120 BGB. Für hochwertige Produktionsmaschinen oder -geräte ist das nicht schön, wenn diese separat besichert werden sollen. Die Möglichkeiten einer Enthaftung nach § 1121 oder § 1122 BGB werden dargestellt. Die Enthaftung mittels Entfernung sei schwierig. Zum einen entstünden hohe Transport- und Lagerkosten, zum anderen wäre der Eigentümer seiner Produktionsmöglichkeiten beraubt. Dann also eine Lastenfreiheit durch Parteiabsprache? Dies wird untersucht. Eine entsprechende Vereinbarung könne der Eigentümer mit dem Grundschuldgläubiger treffen, aber Achtung, diese gelte nur inter partes und nicht mit dinglicher Wirkung. Aber eine gut strukturierte Enthaftungsvereinbarung könne dem Unternehmen weiteren finanziellen Spielraum einräumen.

1.079. Anmerkung zum Beschluss des BGH v. 6. 7. 2023 (V ZB 68/22, ZfIR 2023, 504 (m. Anm. Savini, S. 505))

Arne Rettke (NJW 2023, 2789)
Die Strafvollstreckung zieht immer mehr ins Zivilrecht ein. Ein Grundbuchamt lehnte die Eintragung einer weiteren Sicherungshypothek auf Antrag der StA ab. Der BGH wies das GBA an, den Antrag nicht zurückzuweisen. Rettke bespricht den Beschluss. Der BGH habe den Fall überzeugend gelöst.
ZfIR 2024, 135

1.080. Die Grundsteuer in der Versteigerung

Gerhard Schmidberger (KKZ 2023, 217 – 218)
Eine Gemeinde fiel in einer Versteigerung mit Grundsteuern, veraltete abgesichert durch Zwangssicherungshypotheken, teilweise trotz rechtzeitiger Anmeldung aus. Gegen den Ersteher wurde vollsteckt. Dagegen erhob dieser erfolgreich Klage (VG Wiesbaden v. 14. 11. 2022 – 1 K 2154/18.WI, ZfIR 2023, 243 (LS)). Der Autor wertet das Urteil aus. Den Gemeinden wird empfohlen, sollten die Grundsteuern wegen Zeitablaufs dem Sicherungsrahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 entgleiten, selbst zur dinglichen Vollstreckung zu greifen.

1.081. Zwangsversteigerung und Insolvenzverfahren

Beate Schmidberger (InsBüro 2023, 429 – 432)
Warum selbst die Immobilie per Notarvertrag veräußern, fragt sich mancher Insolvenzverwalter, bietet doch das ZVG mit § 172 eine charmante Lösung an – die Versteigerung auf Antrag des Insolvenzverwalters. Die Autorin klärt die Antragsberechtigung und erläutert die Durchführung des Verfahrens. Die Besonderheiten des geringsten Gebotes bei einem Antrag nach § 174a ZVG sowie die Handlungsoptionen des dinglichen Gläubigers sind aufgezeigt. Die Vor- und Nachteile der Insolvenzversteigerung werden gegeneinander abgewogen. In der Praxis sei allerdings eine spürbare Zurückhaltung von Verfahren nach §§ 172 ff. ZVG zu verspüren.

1.082a. BDR Hamburg. Pilotierung Projekt Rechtspflegerroben starten

Volker Laedtke (RPflBl 2024, 10)

1.082b. Roben für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger

Der Vorstand Bund Deutscher Rechtspfleger e. V. – Landesverband Hamburg (ZInsO 2023, 2166)
Zu früheren Zeiten erkannte man den Versteigerungspfleger vorne im Saal oft daran, er trug keine Krawatte. Mittlerweile sind die Kleidervorschriften generell deutlich lockerer. Viele Kolleginnen führen die Termine durch. Im Termin ist übliche Bürobekleidung angesagt. Aber man staune: aus der Rechtspflegerschaft kommt der Wunsch auf, die Termine (auch in Insolvenzsachen) in der Robe abzuhalten.
Der BDR Hamburg stellt das Vorhaben im RPflBl vor. Ab 1. 10. 2023 hat das Pilotprojekt in Hamburg, befristet auf ein Jahr, begonnen. Die Teilnahme ist freiwillig. Es fand sogar eine kleine Feierstunde statt. Laedtke äußerte sich zuversichtlich, dass das Ergebnis der Evaluation positiv sein werde und dass die Robe dann in Hamburg dauerhaft eingeführt werden könne.
Anm. des Verfassers des Kompass: In Baden-Württemberg ist die Robe für den Rechtspfleger bereits eingeführt.1 Sie wird, so die Auskunft eines Kollegen, auch seit zwei Jahren getragen.

1.083. Zwischenruf aus der Praxis: „Muff“ oder „Schutzschirm“? – Robentragen in Insolvenzgerichtsverfahren

Frank Frind (ZInsO 2023, 2164 – 2165)
Der Beitrag, fast perfekt hinsichtlich sämtlicher Protagonisten mit Gender*, unterstellt dem BDR Hamburg, sich ausschließlich nur an die Kollegen zu wenden und die Kolleginnen allesamt zu ignorieren. Denn die Bezeichnung des Berufsverbands beziehe weibliche Mitglieder (derzeit) nicht ein. Die Genderung hemmt etwas den Lesefluss. Frind holt aus der 68er-Mottenkiste den Spontispruch „Unter den Talaren der Muff von 1.000 Jahren“ hervor, sich wundernd, dass 2023 eine Rückkehr zu den muffigen Zeiten angestrebt werde. Äußerlichkeiten seien nicht unbedingt geeignet, bei den Bürgern für rechtliche Entscheidungen das notwendige Verständnis hervorzurufen. Gute Begründungen bedürften keiner „Roben“ [sic! mit Anführungszeichen]. Der Autor rhetorisch, wollen etwa die Rechtspfleger als Symbolversuch wie Richter sein? Ja, und muss der Richter in Insolvenzsachen auch mit der Robe daherkommen? Dann noch die Anwälte, müssen die sich auch verkleiden, nach dem Motto „Augenhöhe“ = „Robenhöhe“? Das in einer Zeit, in der das Robentragen bei kontradiktorischen Verfahren auf dem Rückzug sei. Frind geht auf frühere, kontrovers geführte Abhandlungen zum Problem ein, sowie auf einschlägige Rechtsprechung und VOen aus anderen Bundesländern. Es gebe Wichtigeres zu regeln, als da wäre elektronische Akte, Digitalisierung oder Personalmangel. Er feixt sich am Gedanken virtuelle Termine (§ 4 Satz 2 InsO, § 39 StaRUG, § 128a ZPO) in der Amtstracht abzuhalten.
Anm. des Verfassers des Kompass: Das Bild im RpflBl 2024, 10 zeigt trotz der angeblichen Nichtansprache Kolleginnen in Robe.

Teilungsversteigerung

1.084. Zwangsversteigerung eines Grundstücks zur Auseinandersetzung einer GbR – ein Auslaufmodell nach dem MoPeG

Prof. Dr. Matthias Becker (Festschrift für Drasdo, WEG-Novelle 2020 – Erfahrung und Erkenntnisse, 2023, ISBN 978-3-80985-9, C. H. Beck Verlag, S. 12 – 22)
Vor zwei Monaten, genauer zum 1. 1. 2024, brachen für die GbR neue Zeiten an. Für die GbR gibt es ein Register – der Gesetzgeber will die vom BGH gelockerten Formvorschriften für die GbR einfangen. Der Autor stellt zunächst die Rechtslage der GbR zum seitherigen Recht dar. Ab S. 16 geht Becker auf die neue Rechtslage ein. Im Fazit sind vier Punkte skizziert:
  • Die Teilungsversteigerung eines einer GbR gehörenden Grundstücks sei nicht mehr möglich.
  • Die Auflösung und die Liquidation einer Grundstücks-GbR durch einen der Gesellschafter sei erschwert. Ginge gar nichts mehr, könne der ausscheidungswillige Gesellschafter Klage mit dem Ziel der Ermächtigung zum Verkauf erheben.
  • In der Zweier-GbR gehe das Gesellschaftsvermögen, auch das Grundstück, auf den verbleibenden Gesellschafter über. Der Ausscheidende besitze aber einen Abfindungsanspruch.
  • ZfIR 2024, 136
  • Ob das neue Leitbild der GbR passe, kann bezweifelt werden. Jedoch, das sei positiv hervorgehoben, ein einzelner Gesellschafter könne nicht mehr einseitig ohne gerichtliche Überprüfung mit dem Antrag auf Teilungsversteigerung die übrigen in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährden.

1.085. Teilungsversteigerung zwischen Ehegatten während des Getrenntlebens, Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 16. 11. 2022 – XII ZB 100/22 (ZfIR 2023, 281 (m. Anm. Ertle, S. 287))

Alexander Erbarth (JR 2024, 61 – 66)
Die noch nicht geschiedenen Ehegatten leben getrennt, haben aber noch Immobilien, über die sie im Wege des § 1008 BGB aneinandergekettet sind. Der Ehemann will das Joch per Teilungsversteigerung ohne Abwarten der Rechtskraft der Scheidung sprengen. Geht, sagt der BGH (v. 16. 11. 2022 – XII ZB 100/22 (ZfIR 2023, 281 (m. Anm. Ertle, S. 287)). Erbarth bespricht den Beschluss. Bereits in der Einleitung klingt Kritik an der vermögensrechtlichen Zuordnung von Eigentum an Grundstücken im Wege der Zugewinngemeinschaft an. Die Auseinandersetzung erfolge im Wege der Teilungsversteigerung. Ohne Titel. Aber, der Gegner könne sich analog über § 771 Abs. 1 ZPO per Klage wehren. Gesetzliche Aufhebungshindernisse sieht Erbarth in
  • § 1365 Abs. 1 BGB – Verfügung über das Vermögen im Ganzen. Der Antrag nach § 180 ZVG sei keine Verfügung, auch keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung. Erst der Zuschlag sei dann die Verfügung. Der BGH erkenne trotzdem die Anwendung von § 1365 BGB analog an, was der Autor so nicht sehe. Der widerstrebende Ehegatte sei bereits über § 1353 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB geschützt.
  • § 1353 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB – Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Ehewohnung dürfe vor Entscheidung der Scheidungssache nicht einseitig durch eine Kündigung oder Verkauf entwidmet werden. Der BGH verenge den Blick auf den Aufhebungsanspruch, der bei Vorliegen der Voraussetzungen durchgesetzt werden könne.
Erbarth hält fest, eine Teilungsversteigerung sei bereits bei Getrenntleben grundsätzlich möglich. Für den Lösungswilligen sei jedoch ein Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht mit einem erheblichen Verfahrensrisiko behaftet.

Zwangsverwaltung

1.086. Wenn das Mietrecht auf Zwangsverwaltung oder Insolvenzverfahren trifft oder: Was ist für den Gläubiger die sinnvollste Vorgehensweise?

Jens Wilhelm V (Festschrift für Drasdo, WEG-Novelle 2020 – Erfahrung und Erkenntnisse, 2023, ISBN 978-3-80985-9, C. H. Beck Verlag, S. 275 – 291)
Der Vermieter ist pleite – und was ist mit dem Mieter? Das untersucht der Vorsitzende der Interessengemeinschaft IGZ e. V. Fragen zur Kaution, zum Hausgeld und anderem werden aufgeworfen, wenn ein Zwangsverwaltungs- oder Insolvenzverfahren oder gar beides angeordnet ist. Bei der Insolvenz sei zunächst mit der Fehlvorstellung aufzuräumen, dass Kauf Miete nicht breche. Verkaufe der Insolvenzverwalter, sei der Mieter über § 111 InsO einem außerordentlichem Kündigungsrecht ausgesetzt. Der Schuldner schweigt – nicht so gut. In der Insolvenz bestehe aber über § 97 InsO ein kräftiges Werkzeug, ihn zum Reden zu animieren. Eine ähnliche Norm im ZVG fehle. § 150 Abs. 2 ZVG regle die Besitzergreifung. Diese Norm sei aber hinsichtlich der Erlangung von Kenntnissen über das Grundstück nur über die Rechtsprechung (BGH v. 14. 4. 2005 – V ZB 6/05, ZfIR 2006, 816 (LS); BGH v. 23. 6. 2017 – V ZR 175/16, ZfIR 2017, 844 (m. Anm. Schädlich, S. 846); BGH v. 21. 2. 2008 – I ZB 66/07, ZfIR 2008, 583 (m. Anm. Bergsdorf, S. 585); AG Künzelsau v. 24. 10. 2011 – 2 M 291/11, ZfIR 2012, 38 (m. Kurzanm. Schmidberger, S. 38)) zugänglich. Ein weiteres Druckmittel sei die Argumentation mit der Gefährdung der Zwangsverwaltung und dem Entzug des Wohnrechts.
Bei der Behandlung von Betriebskosten und der veruntreuten Kaution verweist der Autor auf die unglückliche Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats, der den Mieter im Insolvenzerfahren gegen seinen Vermieter wesentlicher schlechter stelle, als in der Zwangsverwaltung. Zur Besichtigung der Immobilien in den beiden Verfahren (Zwangsverwaltung und Insolvenz) geht Wilhelm ein. Hausgelder in der Zwangsversteigerung seien problemlos. Sie seien vom Zwangsverwalter zu bezahlen, sei die Zwangsverwaltung notleidend, müsse eben der Gläubiger mit Vorschüssen aushelfen. In der Insolvenz dagegen könne man sich dieser Forderungen mittels Freigabe der Wohnung/des Teileigentums entledigen. Zu Gliederungspunkt X. Steuern – es sei bis zu jenem schwierigen Urteil des BFH (v. 10. 2. 2015 – IX R 23/14, BStBl II 2017, 367 (m. abl. Bespr. Engels, S. 525 = ZfIR 2015, 573 (m. krit. Anm. Onusseit, S. 577, m. Bespr. Schmittmann, S. 545) klar gewesen, Umsatzsteuer, ja diese sei von der Masse zu zahlen, Einkommensteuer aber nicht. Die mit diesem Urteil verbundenen Probleme zeigt der Autor auf. Auf den Seiten 289 – 291 werden in einer Tabelle die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Zwangsverwaltung und Insolvenz in puncto Vermieter gegenübergestellt.

1.087. Grundsteuerreform – Was muss der Zwangsverwalter beachten?

Prof. Rainer Goldbach (IVR 2023, 91 – 94)
Nur noch ein ¾ Jahr dann soll sie kommen – die neu berechnete Grundsteuer. Einleitend erläutert der Autor das (noch) bestehende System sowie die Notwendigkeit der vom BVerfG geforderten Reform. Die Frage zu Punkt V. „Trifft den Zwangsverwalter eine Erklärungspflicht?“ lässt Goldbach offen. Er selbst sieht eine solche Pflicht nicht – es sei originär der Eigentümer heranzuziehen. Sollte das Finanzamt vom Zwangsverwalter eine Erklärungspflicht über die Grundsteuer durchsetzen wollen, sei unverzüglich Einspruch einzulegen. En passant wird Kritik an dem Urteil des BFH (v. 10. 2. 2015 – IX R 23/14, BStBl. II 2017, 367 (m. abl. Bespr. Engels, S. 525 = ZfIR 2015, 573 (m. krit. Anm. Onusseit, S. 577, m. Bespr. Schmittmann, S. 545) zur Abführung von Einkommensteuer durch die Zwangsverwaltung eingewoben, „ […], dass eine Steuerpflicht des Zwangsverwalters mit den Grundsätzen des Zwangsverwaltungsverfahrens nicht oder nur ansatzweise vereinbar ist.“
*
*)
Dipl.-Rpfl., Heilbronn
1
1)
Amtstrachtverordnung in der Fassung v. 17. 12. 2020, GBl 2021, 17, § 1 (1) Die Amtstracht besteht aus einer schwarzen Robe mit einem Besatz, 1. aus Samt bei Berufsrichterinnen und … Personen, die ihnen obliegende oder übertragene Aufgaben eines Rechtspflegers wahrnehmen, sowie …

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