ZfIR 2023, 153

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1433-0172 Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR 2023 ZfIR-ReportMartin Ertle* / Gerhard Schmidberger** / Roland Traub***

Zur Behandlung der Einkommensteuer in der Zwangsverwaltung – ein Ruf aus der Praxis

I. Einleitung

Der BFH hat 2015 in einer bis heute umstrittenen Entscheidung erkannt, dass Einkommensteuer vor den Zuteilungen an die Gläubiger zu berücksichtigen ist. Die Entscheidung wurde von der ZVG-geneigten Literatur kritisiert. Beifall kam von insolvenzrechtlicher Seite. Obwohl das Urteil des BFH heftig attackiert wurde, verblieb dieser bei seiner Rechtsmeinung in weiteren Fällen. Wohl einmalig: Einige Vollstreckungsgerichte versagten ihren Zwangsverwaltern, die Rechtsprechung des BFH in der Praxis anzuwenden.

II. Initiative aus NRW

Mit Schreiben vom 10. 10. 2022 wendet sich das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (nachfolgend NRW) an die übrigen Justizverwaltungen in einer Länderumfrage zur:
Gesetzliche(n) Klarstellung der Steuerentrichtungspflicht bei Zwangsverwaltung im ZVG.
ZfIR 2023, 154
NRW stellte fest, dass Zwangsverwalter und Rechtspfleger sich nicht immer an die höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH hielten. Vollstreckungsgerichte würden die Bezahlung von Einkommensteuer untersagen. Diese zählten nicht zu den öffentlichen Lasten. NRW bittet die Länder, ob in deren Bereich Ähnliches zu beobachten sei und ob aus Ländersicht im ZVG eine klarstellende Regelung eingeführt werden solle.

III. Wertung

Die Rechtsprechung des BFH kann bis heute nicht überzeugen. Sie ist dem ZVG fremd. Jedoch sind Anweisungen der Vollstreckungsgerichte, wie NRW in seinem Rechtsgebiet vorfand, unzulässig und wurden im Instanzenweg zu Recht aufgehoben.

IV. Realität

Mittlerweile besteht das Urteil seit acht Jahren. Ergänzend hat das BMF ein Anwendungsschreiben erlassen, für das es sich zwei Jahre Zeit gelassen hat. Wie sieht aber die Praxis aus?
  • Schreiben des Zwangsverwalters werden bei den Finanzämtern wie eine „heiße Kartoffel“ hin- und hergeschoben. Bis heute scheint die Problematik den betroffenen Stellen Kummer zu bereiten. O-Ton eines Finanzamts: Wir haben ein Ermessen, ob wir den Zwangsverwalter heranziehen.
  • Bei einem überwiegenden Teil der Zwangsverwaltungen ist das Nettoaufkommen gering. Nach Abzug der Werbungskosten und der AfA verbleibt selten ein Auszahlungsbetrag. Was nicht verwundert: Verwaltet werden nicht intakte Verhältnisse, sondern überwiegend überschuldete Personen, deren steuerliche Last übersichtlich ist. Soweit eine GbR beteiligt ist, entfällt die Pflicht des Zwangsverwalters, Steuern abzuführen gleich ganz.
  • Solange das Finanzamt keine Bescheide erstellt, muss ein erheblicher Teil der Einnahmen als Rücklage vorgehalten werden. Dies ist dem ZVG fremd. Kommt es doch mal zur Abführung von Einkommensteuer, wird per vierteljährlicher Vorauszahlung abgeschöpft. Nur was macht der Zwangsverwalter, wenn plötzlich die Mieten ausbleiben oder überraschende Reparaturen anstehen? Der Zwangsverwalter müsste, ähnlich der Umsatzsteuer quartalsweise, immer zu neu zu verbescheidender Vorauszahlungen herangezogen werden.
  • Die Behandlung der Einkommensteuer führt auf Seiten der Zwangsverwalter zu Mehraufwand, der vergütet werden will. Für Gläubiger und Schuldner unerfreulich.

V. Konsequenz

Wir befürchten, dass der Aufwand seitens der Finanzämter in keinem reellen Verhältnis zum Ertrag steht. Es ist ein Mehraufwand (Stichwort – Teilbescheid für Einkommensteuer) zu betreiben. Gerichte und Zwangsverwalter werden belastet. Gläubiger ziehen sich zurück – mit dem Ergebnis: keine Zwangsverwaltung, keine Einkommensteuer vom Zwangsverwalter. Gläubiger pfänden die Mieten, um der Einkommensteuerproblematik zu entkommen.
Rein hilfsweise sollten die Finanzverwaltungen der Länder das Steueraufkommen, generiert aus Zahlungen aus Zwangsverwaltungen, und den dahinter stehenden Aufwand evaluieren lassen.

VI. Fazit

Es bedarf einer Klarstellung hinsichtlich der Abführung von Einkommensteuer im ZVG, jedoch nicht im Sinne von NRW. Der Gesetzgeber sollte rasch tätig werden und bei § 155 ZVG einführen:
(2a) Persönliche Steuern, insbesondere Einkommensteuer oder Körperschaftsteuern sind weder als Ausgaben der Verwaltung noch als öffentliche Last des Grundstücks anzusehen.
oder alternativ bei § 34 AO:
(4) Der Verwalter nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung ist nicht Vermögensverwalter im Sinne dieser Vorschrift.
Neubulach, Heilbronn, Michelbach a. d. B. im Februar 2023
*
*)
Dipl.-Rpfl., vormals AG Calw
**
**)
Dipl.-Rpfl., Heilbronn
***
***)
Dipl.-Rpfl., AG Schwäbisch Hall

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