ZfIR 2023, 593

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1433-0172 Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR 2023 ZfIR-ZeitschriftenkompassGerhard Schmidberger*

ZfIR-Zeitschriftenkompass

Einen besseren Überblick über die zahlreichen Publikationen zu dem Thema Liegenschaftsvollstreckung bietet Ihnen der ZfIR-Zeitschriftenkompass. Viermal im Jahr werden an dieser Stelle ausgesuchte Aufsätze aus relevanten Zeitschriften zu diesem Thema von Herrn Dipl.-Rechtspfleger Gerhard Schmidberger zusammengefasst und besprochen. Die Zeitschriftenschau erscheint jeweils in den Ausgaben: ZfIR 3, ZfIR 6, ZfIR 9 und ZfIR 12.

Allgemein

1.051. Die Klauselerteilungsklage gem. § 731 ZPO

Marc-Christian Pieronczyk (JuS 2023, 642 – 646)
Wer vollstrecken will, benötigt regelmäßig eine Klausel (Ausnahme z. B. beim Vollstreckungsbescheid). Kann diese aus formellen Gründen nicht erteilt werden, kann der Vollstreckungsgläubiger gem. § 731 ZPO auf Erteilung einer Klausel klagen. Dieses in der Praxis recht seltene vorkommende Verfahren stellt der Autor anschaulich vor.

1.052. Die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung einer Grundschuldbestellungsurkunde aufgrund Nachweisverzichts

Prof. Ulrich Keller (ZNotP 2023, 201 – 206)
Für Gläubiger wäre geschickt, die Sicherungsgrundschuld wäre trotz der gesetzlichen Vorgaben sofort zur Vollstreckung geeignet. Das ginge dann, wenn der zukünftige Schuldner auf den Nachweis der erfolgten Kündigung und auf die Einhaltung der Kündigungsfrist (§ 1193 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB) verzichtet, der Notar dann sofort die vollstreckbare Ausfertigung dem Gläubiger erteilt. Dies werde teilweise als zulässig und bedenkenlos bezeichnet. Ist dem so, fragt Keller und stellt sieben Thesen zur Praxis der Klauselerteilung auf:
  • § 726 Abs. 1 ZPO. Das Erfordernis der Kündigung und der Einhaltung der Wartefrist seien nicht bloß formelle Voraussetzungen, die es zu prüfen gelte. Erst mit Einhaltung der Vorgaben aus § 1193 BGB sei der Anspruch materiell durchsetzbar. Sollte das Vollstreckungsorgan, hier das ZVG-Gericht, mit der Prüfung beauftragt werden, hätte der Gesetzgeber § 798 ZPO ändern müssen.
  • Nachweisverzicht des Grundstückseigentümers. Der sei grundsätzlich zulässig, aber hier in dem besprochenen Kontext fraglich. Fehle es an öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden, sei der Gläubiger auf § 731 ZPO angewiesen (siehe Anm. Nr. 1.051, zu Pieronczyk). Werde die Klausel sofort erteilt, verbliebe dem Schuldner nur die Gegenklage nach § 768 ZPO – der Gläubiger bleibe aber nachweispflichtig, ob der materiellrechtliche Anspruch auf Vollstreckung bereits durchsetzbar ist.
  • Sofortige Erteilung der Klausel bei Nachweisverzicht. Unter Heranziehen der beiden ersten Thesen sei dies richtig, aber nicht logisch. Werde die Kündigung nicht ausgesprochen, aber auf den Nachweis der Kündigung verzichtet, würde nicht einmal der Lauf der Kündigungsfrist beginnen. Somit könnte doch nicht sofort eine Klausel erteilt werden – Keller hierzu: „Die Trennung von materiellem und formellem Recht sollte aber auch nicht zu logischen Widersprüchen führen.“
  • Einfache Klausel nach § 724 ZPO. Auch wenn der BGH dies so sehe (v. 7. 10. 2020 – VII ZB 56/19, ZfIR 2021, 79 (m. Bespr. Clemente, ZfIR 2021, S. 166)) sei dies nicht richtig. Beim Nachweisverzicht handele es sich um eine qualifizierte Klausel gem. § 726 Abs. 1 ZPO. Nach 750 Abs. 2 ZPO müssten daher sämtliche Urkunden, nach denen die Klausel erteilt wurde, dem Schuldner zugestellt werden.
  • Keine Prüfpflicht des Vollstreckungsorgans hinsichtlich der Klauselerteilung. Dies sei richtig, verleite aber zu falschen Schlussfolgerungen. Nicht § 766 ZPO sei der richtige Rechtsbehelf, sondern die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO gegen die Entscheidung des Notars, sofern er diese nach § 724 ZPO als einfache Klausel erteilt habe.
  • Das Vollstreckungsgericht muss die Einhaltung der Kündigungsfrist prüfen. Dies sei nicht richtig. § 751 Abs. 1 ZPO sei hier nicht einschlägig.
  • Der Schuldner kann und muss gegen eine unberechtigte Zwangsvollstreckung mit Klage vorgehen. Das sei richtig, aber nicht zu Ende gedacht. Keller knüpft an die Zulässigkeit der Klage an: bei § 767 ZPO, sobald der Titel „in der Welt“, bei § 768 ZPO, sobald die Klausel erteilt sei. Es zeige sich, die sofortige Klauselerteilung sei nicht nur unlogisch, sondern eröffne eine zulässige und begründete Klage.
Sieben Thesen, deren Untersuchung es in sich hat. Keller öffnet mit dem Skalpell. Er legt quasi ein Geschwür frei, das darin besteht, dass die Praxis sofort eine vollstreckbare Ausfertigung haben möchte, aber das Gesetz etwas anderes vorsieht. Sollte tatsächlich das Bedürfnis bestehen, wie zur Rechtslage vor 2008, der Kreditwirtschaft unmittelbar an die Grundschuldbestellung eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, sollte die Gesetzeslage angepasst werden und nicht die notarielle Praxis, so Kellers Feststellung am Ende des Beitrags.
ZfIR 2023, 594

Zwangsversteigerung

1.053. Der Fall der „verzögerten Kommunalabgaben“ in der Krise des Abgabepflichtigen

Dr. Friedrich L. Cranshaw (KKZ 2023, 37 – 45)
Cranshaw bildet einen Fall um eine Firma, die in die Krise gerät und diverse Abgaben (Grund-, Gewerbesteuern, Erschließungsbeiträge, Abwasser-, Abfallentsorgungsgebühren u. a.) schuldig bleibt. Einem Insolvenzantrag wird stattgegeben. In diesem Zusammenhang untersucht der Autor die Vorteile, wenn eine Forderung der Gemeinde als öffentliche Last ausgestaltet ist. Wie sich der Gläubiger einer öffentlichen Last in der Zwangsversteigerung zu positionieren hat, wird ausgeführt. Der Untergang der öffentlichen Last am Grundstück durch Zuschlag wird erläutert. Der Ersteher hafte nicht für Altschulden des Eigentümers. Eine Ausnahme sei dann gegeben, wenn eine öffentliche Last verrentet worden sei, unter Bezug auf OVG Bautzen v. 26. 6. 2015 – 5 A 706/13, ZfIR 2015, 807 (m. Anm. Alff, S. 810).

1.054. Befugnis des Insolvenzverwalters zur Löschung eines Wohnungsrechts des Insolvenzschuldners am eigenen Grundstück – Anmerkung zu BGH v. 2. 3. 2023 – V ZB 64/21, ZfIR 2023, 346 (m. Anm. Hintzen, S. 349) = ZRI 2023, 449 = ZVI 2023, 224

Kai Henning (InsBürO 2023, 242)
„Der Insolvenzverwalter ist befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen“, so der amtliche Leitsatz zu lit. b der Entscheidung, wenn der Insolvenzverwalter ein Eigentümerwohnungsrecht vorfindet. In seiner Kurzanmerkung bemerkt der Autor dann auch: „Das Eigentümerwohnungsrecht … kann daher auch nicht als geschickter Schachzug zur Verhinderung der Zwangsversteigerung oder Verwertung gesehen werden.“
Anmerkung der Redaktion: Siehe auch die Stellungnahme des DNotI zum Eigentümernießbrauch in der Teilungsversteigerung, Anm. Nr. 1.062, S. 596 – in diesem Heft.

1.055. Der hypothekarische Haftungsverband

Lennart Deutschmann (JuS 2023, 395 – 401)
Wird’s ernst, darf der Hypothekengläubiger auf das Grundstück zugreifen. Aber nicht nur auf das Grundstück, sondern der Zugriff erstrecke sich auch auf Mobilien, Rechte und Forderungen, stellt der Autor fest. Über § 1192 Abs. 1 BGB erfasse auch die Grundschuld die genannten Gegenstände, weshalb der Begriff „grundpfandrechtlicher Haftungsverband“ eher zuträfe als der im Titel genannte „hypothekarische Haftungsverband“. Den Haftungsverband habe der Gesetzgeber aus ökonomischen Gründen eingeführt. Das Grundstück bilde mit seiner Nutzung eine wirtschaftliche Einheit. Der Wert der Gesamtheit sei höher als der Wert der einzelnen Teile. Die Paragrafenkette § 90 Abs. 2, §§ 55, 20 ZVG, der Eigentumserwerb des Erstehers wird vorgestellt. § 865 ZPO biete Schutz gegen die Pfändung von Zubehör. Weiterer Schutz stehe dem Gläubiger über die §§ 1134, 1135 BGB zu, dem verschuldungsunabhängigen Unterlassungsanspruch des dinglichen Gläubigers.
In einem Ausflug zum AT des BGB, genauer §§ 93 ff., wird geklärt, wie es sich mit Bestandteilen oder gar Scheinbestandteilen verhält. Und dann kommt der unvermeidliche § 1120 BGB, der mit dürren Worten eine Fülle von Regelungen enthält. Die Verhaftung von Mieten/Pachten und Versicherungsforderungen ist erwähnt. In Ziff. III geballte Theorie: zur Enthaftung der zunächst verhafteten Sachen mit den Stichworten Veräußerung – Beschlagnahme – Entfernung in jeder denkbaren, zeitlichen Reihenfolge (war damals schon in der Rechtspflegerausbildung vor 40 Jahren das Thema des ZVG-Dozenten). Für das Verständnis ist das Fazit hilfreich: „Wer die durchaus komplexen und sperrigen Regelungen zum Hypothekenhaftungsverband verstehen will, sollte sich stets Sinn und Zweck der Haftungsverfestigung durch die Beschlagnahme vergegenwärtigen“.

1.056. Ausgewählte Rechtsfragen zum Vermieterwechsel gem. § 566 Abs. 1 BGB im Blickwinkel des Zäsur-Gedankens

Hans-Joachim Gellwitzki (WuM 2023, 377 – 389)
Mieter und Vermieter als ursprüngliche Vertragsparteien müssen nicht auf ewig verbunden bleiben. Geht das Eigentum in andere Hände, verliert der Vermieter regelmäßig sein Interesse am geschlossenen Mietvertrag. Dieser Konstellation ist der Beitrag gewidmet. Und hier interessiert nur, soweit ZVG ins Spiel kommt. Dazu stellt Gellwitzki einen Fall vor, bei dem eine gewerbliche Zwischenvermietung stattfindet. Hier greife § 565 BGB, wonach der Untermieter gegenüber dem Ersteher geschützt sei. Der Ersteher habe den Untermieter zu übernehmen. Soweit die Beschlagnahme im Weg der Zwangsverwaltung erfolge, komme § 566 BGB nicht in Betracht. Der Vermieter werde nicht ausgewechselt. Er verliere nur seine Verwaltungsbefugnis, die der Zwangsverwalter in eigenem Namen aber auf dessen Rechnung ausübe.

1.057. Einstweilige Einstellung der Immobiliarzwangsvollstreckung aufgrund der Anordnung einer Vollstreckungssperre (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG)

Dr. Matthias Nicht (NZI 2023, 609 – 615 = IVR 2023, 81 – 90 (gekürzt))
Nach § 30g ZVG kann i. V. m. § 29 Abs. 2 Nr. 3 und § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG eine Zwangsversteigerung im Rahmen einer Stabilisierungsanordnung eingestellt werden. Nicht: „Die Systematik der Vorschriften ist nicht gelungen.“ Mit seinem Beitrag möchte der Autor Lösungsvorschläge anbieten. Zunächst werden die allgemeinen sowie die besonderen Voraussetzungen der Stabilisierungsanordnung vorgestellt. Liegen diese vor, kann eine Anordnung des Restrukturierungsgerichts erreicht werden. Es folgt dann der Vollzug der Vollstreckungssperre. Die Sperre müsse dann über § 30g Abs. 1 Satz 1 ZVG vom Schuldner beantragt werden. Das sei dem ZVG fremd – denn das Restrukturierungsgericht habe bereits über die weitere Vollstreckung entschieden und hier sei dann § 28 Abs. 2 ZVG maßgebend. § 30g Abs. 1 Satz 1 ZVG wirke wie ein Fremdkörper im Gefüge des ZVG. Warum nun das Vollstreckungsgericht nochmals ZfIR 2023, 595gem. § 30g Abs. 1 Satz 2 ZVG prüfen solle, ob dem Antrag stattgegeben werden könne, sei nicht nachvollziehbar. § 30g Abs. 2 ZVG passe nicht ins ZVG, sondern sei der Regelung zu § 54 Abs. 1 StaRUG zuzuordnen. Als Zwischenfazit stellt Nicht mit dem § 30g ZVG zusätzliche Rechtsprobleme aufgrund der wenig geglückten Abstimmung mit §§ 49 ff. StaRUG fest. Zu Gliederungspunkt III wird der Vollstreckungsschutz während des Insolvenzeröffnungsverfahrens und des eröffneten Insolvenzverfahrens untersucht. Hier wird keine Kollision zwischen gerichtlichen Entscheidungen des Insolvenz- und des Vollstreckungsgerichts gesehen. Zur Auslegung von § 30g ZVG:
  • Abs. 1 Satz 1: Wurde die Einstellung des Restrukturierungsgerichts angeordnet, bedürfe es keines Antrags des Schuldners mehr. Vollstreckungshindernisse seien amtswegig beachtlich.
  • Abs. 1 Satz 2: Bei der Prüfung der Ablehnung des Antrags des Schuldners auf Einstellung würde in der Regel den Schuldnerinteressen am Erhalt des Unternehmens ein größeres Gewicht beigemessen.
  • Abs. 2 Satz 1: Die Entscheidung über die Bezahlung von Zinsen und den entstehenden Wertverlust sei beim Restrukturierungsgericht anzusiedeln, nicht wie jetzt beim Vollstreckungsgericht.
  • Abs. 3 Satz 1: Erst die Aufhebung der Stabilisierungsanordnung durch das Restrukturierungsgericht führe den Wegfall der Voraussetzungen für die Einstellung herbei.
  • Abs. 3 Satz 2: Nicht beschreibt des Prozedere. Das Vollstreckungsgericht habe gem. § 764 Abs. 3 ZPO per Beschluss zu entscheiden, wobei durchaus auch mündlich verhandelt werden könne.
Letztlich kreidet der Autor dem Gesetzgeber an, die gesondert zulässige sofortige Beschwerde, wie bei § 30b Abs. 3 ZVG, nicht zugelassen zu haben. Dies sei ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. Die sofortige Beschwerde sei trotzdem zulässig.

1.058. Die Entwicklung im Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht seit 2021/2022 – im Anschluss an den Beitrag in Rpfleger 2021, 468

Prof. Udo Hintzen (Rpfleger, 2023, 450 – 460)
Nach einem Jahr Pause legt der emeritierte Professor seine seit Jahren geführte Übersicht der Rechtsentwicklung im ZVG vor. Zum Zwangsversteigerungsrecht bereitet Hintzen 14 Fälle auf. Darunter die doch recht kuriose Entscheidung des LG Hildesheim v. 24. 8. 2021 – 5 T 166/21, Rpfleger 2022, 214, wonach am Verfahren nicht Beteiligte Dritte Zuschlagsbeschwerde einlegen können. Dem „Publikum“ ein Beschwerderecht einzuräumen, sei ein Novum, so der Autor. Die Entscheidung sollte unter dem Stichwort „Ausrutscher“ verbucht werden. Neunmalig tritt die Zwangsverwaltung auf, darunter fünf Entscheidungen über die Vergütung. Die Teilungsversteigerung ist ebenfalls vertreten (8 x). Hier ist sogar Landesrecht dabei – nämlich das auslaufende Stockwerkseigentum in Württemberg mit dem Urteil des AG Künzelsau v. 16. 6. 2021 – 1 C 87/21, BWNotZ 2022, 105.

Teilungsversteigerung

1.059. Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit (BGH v. 16. 11. 2022 – XII ZB 100/22, ZfIR 2023, 281 (m. Anm. Ertle, S. 287)

Dr. Volker von Creytz (AnwZert FamR 9/2023, Anm. 1)
Mit seinem Beschluss v. 16. 11. 2022 hat der XII. Zivilsenat entschieden, dass eine Versteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an einem Familienheim von scheidungswilligen Ehegatten auch vor der Rechtskraft der Scheidung grundsätzlich möglich sein kann. Es hat damit die stark umstrittene Entscheidung des OLG Hamburg v. 28. 7. 2017 – 12 UF 163/16, ZfIR 2018, 212 (LS) abgefedert. Creytz sucht mögliche Einwendungen, des nicht weichend wollenden Ehegatten und findet diese in:
  • Einwendungen nach § 1365 BGB. Die begehrte Versteigerung käme einer Verfügung über das nahezu gesamte Vermögen gleich. Dies dann, wenn als Restvermögensmasse nur noch ca. 15 % verblieben.
  • Einwendungen der ehelichen Fürsorge und Rücksichtnahme, z. B. dann, wenn das Versteigerungsverfahren in erster Linie als Druckmittel geführt werde, um andere Interessen zu forcieren. Das Wohl der noch im Versteigerungsobjekt wohnenden Kinder sei mitabzuwägen.
  • Rechtsmissbrauch. § 242 BGB sei möglich, jedoch nur für Umstände, die nicht schon nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB berücksichtigt worden seien.
In der rechtlichen Würdigung begrüßt der Autor, der BGH habe die durch das OLG Hamburg eingetretene Rechtunsicherheit beseitigt.

1.060. Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie

Prof. Dr. Marina Wellenhofer (JuS 2023, 464 – 467)
Im Fokus des Beitrags steht einmal mehr: BGH v. 16. 11. 2022 – XII ZB 100/22, ZfIR 2023, 281 (m. Anm. Ertle, S. 287), s. auch vorstehend Anm. Nr. 1.059 zu von Creytz sowie Anm. Nr. 1.014, 1.017a – e, ZfIR 2023, 294. Wellenhofer bereitet zunächst den Sachverhalt auf und führt in die Probleme ein. Geklärt sei, gegen § 180 ZVG kann der andere in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 771 ZPO sich wehren, mit der „unechten“ Drittwiderspruchsklage. Mögliche Argumente seien:
  • Rechtsmissbrauch des Antragstellers (§ 242 BGB)
  • Verfügung über das wesentliche Vermögen (§ 1365 Abs. 1 BGB)
  • Gefährdung der ehelichen Fürsorge- und Rücksichtnahmepflichten (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB).
ZfIR 2023, 596
Letzteres habe dem BGH in der aktuellen Entscheidung vorgelegen. Die Rücksichtnahmepflicht aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB sei nicht grenzenlos. Der Entscheidung sei zuzustimmen.

1.061. Teurer Auszug aus dem gemeinsamen Familienheim im Zuge einer Scheidung

VRiin BFH Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel (jm 2023, 300 – 302)
Autsch – das ging ins Auge, obwohl gar keine Versteigerung der gemeinsamen Eheimmobilie stattfand. Unter dem Druck eines drohenden Teilungsversteigerungsverfahrens seitens des Ex erwarb die Ehefrau dessen Miteigentumshälfte im Rahmen eines Scheidungsfolgeverfahrens. Im Laufe der unglücklich verlaufenden Ehe erfuhr jedoch das Grundstück gegenüber dem damaligen Ankaufspreis eine Wertsteigerung. Diese war dem Ehemann steuerpflichtig zuzurechnen, so der BFH v. 14. 2. 2023 – IX R 11/21, ZfIR 2023, 290 (LS). Die Autorin untersucht, in welchen Konstellationen eine steuerbefreiende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorliegt. Auf gar keinen Fall könne eine negative Motivationslage oder psychischer Druck eine Besteuerung verhindern. Befreiungstatbestände fielen in einer solchen Konstellation nicht an.
Anmerkung der Redaktion: Zur Versteuerung eines Veräußerungsgewinns in Folge Zuschlags s. FG Düsseldorf v. 28. 4. 2021 – 2 K 2220/20 E, ZfIR 2021, 297 (LS).

1.062. Bestellung eines Eigentümernießbrauchrechts zur Verhinderung der Teilungsversteigerung; Niedrigstgebot-Theorie; faktische Vorteile

Ohne Autor (DNotI-Report 2023, 129 – 132)
Das DNotI beschäftigt sich erneut mit der Versteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft, bei der einer der Eigentümer für sich ein Eigentümerrecht auf seinem Bruchteil eintragen lässt (zur Grundschuld s. Anm. Nr. 1.016a zu DNotI-Report 2022, 185 und Nr. 1.016b zu DNotI, Gutachten Nr. 196409; beides in ZfIR 2023, 294). Im vorliegenden Beitrag widmet sich das DNotI dem Eigentümernießbrauch. Dieser sei mittlerweile ohne weiteres eintragbar, seit BGH v. 14. 7. 2011 – V ZB 271/10, ZfIR 2011, 874 (m. Anm. Hilmar Keller, S. 875), auch auf einem Bruchteil, wie § 1066 Abs. 1 BGB ausdrücklich verlautbare. Es sei Irrglaube, mit Eigenrechten das geringste Gebot in die Höhe treiben zu können, um damit letztlich eine Versteigerung zu verhindern. Dem habe der BGH einen Riegel vorgeschoben (BGH v. 15. 9. 2016 – V ZB 136/14, ZfIR 2017, 251 (m. Bespr. Böttcher, ZfIR 2017, S. 231)). Der BGH habe sich der sog. Niedrigstgebot-Theorie angeschlossen. Diese Theorie setze § 182 Abs. 2 ZVG außer Kraft, da in der Folge einheitlich für alle Anteile dieselbe niedrigste Belastung zugrunde gelegt werde. Voraussetzung sei, dass die anderen Miteigentümer, also jene deren Anteile nicht einseitig belastet sind, beitreten. Erlösche der Nießbrauch, weil der andere Eigentümer das Verfahren betreibt, hafte er am Erlös anteilig am früheren Bruchteil als Wertersatz weiter. Allerdings erfolge keine sofortige Zuteilung, sondern aus einer kapitalisierten Geldrente in Jahreszahlungen. Der Berechtigte des Eigentümernießbrauches könne sich unter Umständen ähnlich wie bei der Eigentümergrundschuld einen zeitlichen Vorteil verschaffen, unter Bezug auf das DNotI-Gutachen Nr. 196409. Den Wertersatz will das DNotI jedoch mit Null ansetzen, mit dem Hinweis aber, dass diese „… Rechtsauffassung aber weder durch Literatur noch Rechtsprechung abgesichert ist.“ Letztlich sieht das DNotI mit der Belastung eines Bruchteils mit einem (unbelasteten) Eigentümernießbrauch keinen Vorteil.

Wert

1.063. Eigentum an Energieerzeugungsanlagen und deren Bestandteilen – unter Berücksichtigung der Freiland-Photovoltaikanlage – Entscheidungen des BGH

Prof. Dr. Christoph Reymann (WM 2023, 649 – 655)
Eine Photovoltaikanlage kann den Wert eines Grundstücks erheblich erhöhen, wenn sie denn in den Hypothekenhaftungsverband fällt. Reymann geht anhand von BGH-Entscheidungen der Frage nach, wer denn Eigentümer der Anlage, die auf einem Grundstück steht, ist und ob diese separat veräußert werden kann. Der BGH habe in seiner Entscheidung v. 22. 10. 2021 – V ZR 69/20, ZfIR 2022, 184 (m. Anm. Fritzsche/Lüttgens, S. 191) grundsätzliche Aussagen getroffen. Zunächst seien die §§ 93 und 94 BGB zu untersuchen, § 94 BGB sei zu § 93 BGB keine lex specialis, sondern diese Vorschrift könne selbstständig neben § 93 BGB Anwendung finden. § 95 BGB wird ebenfalls herangezogen. Im Fazit stellt Reymann fest, dass die Eigenschaft von Energieerzeugungsanlagen, ob diese nun wesentlicher Bestandteil des Grundstücks bzw. Gebäudes sind, schon immer anhand des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen war. Neu sei so wörtlich: „Der BGH hat nunmehr jedoch deutlich gemacht, dass je nach betroffenem Vorgang (Rechtsverlust oder spätere Rechtsbegründung) auf unterschiedliche Zeitpunkte bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 93 BGB bzw. § 94 BGB abzustellen ist.“ Soll die Anlage weiterhin als bewegliche Sache verbleiben, sollte vor der Montage ein dingliches Recht eingeräumt werden. Dann sei die Anlage als Scheinbestandteil zu werten. Ob der BGH seine Rechtsprechung hinsichtlich § 95 BGB ebenfalls auf eine dynamische zeitliche Anknüpfung erweitern wird, bleibe abzuwarten.

1.064. Mietwertermittlung für Einfamilienhäuser

Horst Schmid (GuG 2023, 209 – 214)
EFH seien klassische Eigennutzungsobjekte. Bezogen auf Wohnungen in Mehrfamilienhäusern fehle es an Vergleichsobjekten. Zudem seien EFH gerne sehr individuell. Das mache eine Bewertung nicht einfach. Der Gutachter müsse auf Hilfsverfahren zurückgreifen. Hilfreich sei das BGH-Urt. v. 17. 9. 2008 – VIII ZR 58/08, MDR 2009, 79, wonach auf den Mietspiegel zurückgegriffen werden könne, auch wenn dieser keine Angaben zum EFH enthielte, aber die geforderte Miete innerhalb der Mietpreisspanne für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern liege. Ein Praxisbeispiel gibt Erläuterungen. Der darin gefundene Wert müsse dann noch plausibiliert werden. Eine Ableitung aus dem Verkehrswert sollte erfolgen (Gliederungspunkt 4). Mit ZfIR 2023, 597dem gezeigten Beispiel, so der Autor, konnte aufgezeigt werden, dass auch mit spärlicher Datengrundlage ein Gutachten erstellt werden könne.

Zwangsverwaltung

1.065. Rückzahlung entnommener Vergütungsvorschüsse, § 9 InsVV

Beate Schmidberger (JurisPR-InsR 13/2023, Anm. 3)
Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter (§ 22 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV) können innerhalb des Abrechnungszeitraums auf die später festzusetzende Vergütung Vorschüsse hierauf verlangen. Was aber, wenn der Verwalter mehr Vorschüsse entnehmen durfte, als hinterher als Gesamtvergütung festgestellt wurde? So ein Fall lag dem BGH vor, 29. 6. 2023 – IX ZR 152/22, ZfIR 2023, 592 (LS) – in diesem Heft). Dieser löste die Rückerstattung des zu viel zugeteilten Vorschusses über Auftragsrecht (§ 667 BGB). Der Verwalter ist zur Rückgabe verpflichtet. Die Autorin empfiehlt daher den Gerichten, Vorschüsse mit Augenmaß festzusetzen. Rückforderungsansprüche sollten von vorneherein vermieden werden.

1.066. Staatsanwaltschaftlich gesichertes Grundstück und zivilrechtliche Zwangsverwaltung

Folker Bittmann (Wistra 2023, 371 – 375)
Der Autor untersucht die Konkurrenz zwischen der Sicherung eines Grundstücks durch die StA im Verhältnis zur Zwangsverwaltung, die ein Gläubiger betreibt. Bereits in der Einleitung stellt er fest, dass die Sicherung lediglich in einem Grundbuchvermerk besteht und der StA weder ein Besitz- noch zu einem Betretungsrecht zusteht. An einem Eingangsbeispiel wird die Situation durchgespielt. Sei die Zwangsverwaltung vorrangig angeordnet, verbliebe es beim Vorrang der zivilrechtlich angeordneten Zwangsverwaltung. Werde der Anordnungsanspruch über die Zwangsverwaltung getilgt (§ 161 Abs. 2 ZVG) rücke die StA einfach auf. Habe allerdings die StA zuerst auf die Miete zugegriffen, wirke deren Sicherungsrecht prioritär. Bei der derzeitigen Gesetzeslage sieht Bittmann ein Dilemma – weder StA noch der Zwangsverwalter seien zum Mieteinzug berechtigt. Eine gegenseitige Blockade. Diese könne durch eine Vereinbarung der StA mit dem Zwangsverwalter abgebaut werden.
Anmerkung der Redaktion: Siehe auch Bittmann, Strafrechtliche Vermögensabschöpfung und Echo in der Rechtsprechung zur Zwangsverwaltung, ZfIR 2023, 453.

Zwangssicherungshypothek

1.067. Das Vollstreckungswesen vor einem Paradigmenwechsel?

Stefan Lissner (ZVI 2023, 312 – 316)
Der Autor nimmt in diesem Beitrag zu verschiedenen Themen Stellung. Unter II.5 geht Lissner der Frage nach, was mit der Zwangssicherungshypothek nach erfolgter Restschuldbefreiung geschieht. Die persönliche Forderung des Gläubigers mutiere durch die Restschuldbefreiung zur Naturalobligation, erlösche also nicht, sei jedoch nicht mehr zwangsweise durchsetzbar. Die die Forderung sichernde Zwangssicherungshypothek verliere ihre Kraft auch dann nicht, wenn das belastete Grundstück von einem Dritten übernommen werde. Dies habe der BGH so festgestellt, v. 10. 12. 2020 – IX ZR 24/20, ZfIR 2021, 186 (m. Anm. Hintzen, S. 187 = ZVI 2021, 142).

Buchvorstellung

1.068. Immobilienverrentung – Nutzen Sie Ihre Immobilie zur Altersfinanzierung

Janine Hardi, 2023, 128 S., Paperback, Verlag C. H. Beck oHG, ISBN 978-3-406-80760-2, 11,90 €
Hardi, RAin und Mitgründerin von RentePlusImmobilie mit der dahinterstehenden RPI GmbH, München, nimmt sich der „Verflüssigung“ von sog. Altersimmobilien an. Also solcher Grundstücke, die im Eigentum älterer Menschen stehen, deren Vermögen im Wesentlichen in einer abbezahlten Immobilie gebunden ist. Das Werk, im „Reclam“-Format herausgegeben von C. H. Beck in der Reihe „Beck kompakt“, wendet sich an einen juristisch wenig vorgebildeten Leserkreis. Grundbegriffe werden kurz vorgestellt. Die Vor- und Nachteile verschiedener Verrentungsmodelle (insgesamt sind sechs aufgeführt) finden sich am Ende des jeweiligen Abschnitts mit dem Kurzfazit: „Auf den Punkt gebracht“. Wer sich kurz und knapp informieren will, kann sich mit dem kleinen Ratgeber einen Überblick verschaffen.
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