RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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1433-0172
Zeitschrift für Immobilienrecht
ZfIR
2024
ZfIR-ZeitschriftenkompassGerhard Schmidberger*
ZfIR-Zeitschriftenkompass – Sonderausgabe zum geplanten Schrottimmobiliengesetz
Einen besseren Überblick über die zahlreichen Publikationen zu dem Thema Liegenschaftsvollstreckung bietet Ihnen der ZfIR-Zeitschriftenkompass. Viermal im Jahr werden an dieser Stelle ausgesuchte Aufsätze aus relevanten Zeitschriften zu diesem Thema von Herrn Dipl.-Rechtspfleger Gerhard Schmidberger zusammengefasst und besprochen. Die Zeitschriftenschau erscheint üblicherweise jeweils in den Ausgaben: ZfIR 3, ZfIR 6, ZfIR 9 und ZfIR 12.
Aus Anlass der bevorstehenden Behandlung eines § 94a ZVG-E im Deutschen Bundestag hat sich die Redaktion entschlossen, eine Sonderveröffentlichung über drei weitere Beiträge zu der bevorstehenden Gesetzesänderung vorzunehmen. Ebenso vor dem Hintergrund, dass ein Verwaltungsgericht zu einer Schrottimmobilie ausführlich Stellung genommen hat. Dies ist nach 2012 und 2014 die dritte Sonderveröffentlichung abseits des Quartalsturnus.
Zwangsversteigerung
1.125. § 94a ZVG – eine unzulängliche Norm am falschen Platz
Michael Drasdo (IVR 2024, 81 – 83)
Bereits die vom Autor gewählte Überschrift seines Beitrags zeigt den Weg – weg mit dem unseligen Gesetzentwurf. Schrottimmobilien stören, so empfindet es auch Drasdo. Sie sollten beseitigt werden. Aber mit dem Gesetzentwurf werde dieses legitime Ziel vollkommen falsch behandelt. Der Zweck der Regelung wird in fünf Punkten dargelegt:
- 1. Verortung der Regelung: § 94a ZVG-E diene der städtebaulichen Regelung. Dazu sei das ZVG nicht gemacht worden.
- 2. Ausrichtung der Vorschrift: Der Autor geht auf die bereits kritischen Stimmen zum Gesetzesvorhaben ein. Er kann keinen Mehrwert zur Sanierung von baulich bedenklichen Immobilien erkennen. Die Regelung schrecke eher potenzielle Bieter ab.
- 3. Bedeutungslosigkeit: Anhand der in Gesetzesbegründung nur sehr wenig zu erwartenden Fälle, müsse schon die Sinnhaftigkeit eines neu einzuführenden § 94a ZVG hinterfragt werden.
- 4. Kostengesichtspunkte: Die Kosten im RegE seien schön gerechnet worden. Drasdo geht von ganz anderen Zahlen aus.
- 5. Durchführung der Verwaltung: Die Schwierigkeiten im Zusammenhang einer darbenden Immobilie sind beschrieben. Der Autor befürchtet: „Dann erreicht die Einführung der Vorschrift jedoch genau das Gegenteil von dem, was der Gesetzgeber erreichen wollte.“ Letztlich müsse auch der Ersteher im Auge behalten werden. Dessen Interessen hat der Verwalter zu schützen. Dies gelte wohl auch bei einem Antrag auf gerichtliche Verwaltung seitens der Gemeinde.
Alternativen? Ja – mit öffentlichem Recht könne auf den Ersteher eingewirkt werden. Es böten sich Ordnungsmittel oder Ersatzvornahmen bei Gefahrensituationen an. Einen Anspruch der Gemeinde auf ein „schönes“ Gebäude im Stadtbild suche man vergebens. Will die Gemeinde tätig werden, helfe ein Blick ins BauGB, da sei nun mit § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 ein Vorkaufsrecht normiert worden.
Anm. der Red.: Bereits im Editorial zur NZI 12/2023 äußert Drasdo die nun im Beitrag ausführlich dargelegten Zweifel an einem § 94a ZVG-E. Zum Gesetzesvorhaben s. auch Depré/Cranshaw, ZfIR 2024, 287.
1.126. Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz sinnvoll?
Prof. Dr. Matthias Becker (ZRP 2024, 191)
In seinem kurzen Einwurf geißelt der Autor, Dozent an der Fachhochschule für Rechtspflege NRW, Bad Münstereifel, das Vorhaben als Versteigerungsverhinderungsgesetz, das weit über das Ziel hinausschieße, um rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sanktionieren. Becker blickt bereits zum Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe. Er sieht die Art. 14 sowie 19 Abs. 4 GG verletzt.
1.127. Zum Gesetzentwurf eines § 94a ZVG-E
Gerhard Schmidberger (InsBüro 2024, 251 – 253)
Der Autor nimmt zur geplanten Gesetzesänderung Stellung. Er reiht sich bei den Kritikern ein, die sich an der Verquickung ZfIR 2024, 468von Zivilrecht mit öffentlichem Recht stören. Bei niedrigen Verkehrswerten erfolgt erneut der Aufruf, eine Mindestsicherheit, wie gesetzlich früher normiert, einzuführen, damit wenigstens die Verfahrenskosten gesichert sind.
Kurzanmerkung zu VG Hannover v. 26. 3. 2024 – 4 A 3148/22, ZfIR 2024, 466 (LS) – in diesem Heft
Ein Urteil, das sich mit dem Begriff „Schrottimmobilie“ aktuell und ausgiebig befasst. Es geht um jenen § 24 BauGB, den Drasdo in seinem Beitrag (Kompass Nr. 1.125) anspricht. Eine Gemeinde (Beklagte) bemängelte u. a. den Zustand und die Bebauung eines Grundstücks. Ein Kauf scheiterte an den gegenseitigen Preisvorstellungen. Der Eigentümer (Kläger) verkaufte an eine Dritte. Die Gemeinde übte per Bescheid gegenüber dem Kläger das Vorkaufsrecht aus. Im Bescheid sind zahlreiche Gründe für die Ausübung des Vorkaufsrechts aufgeführt. Ein zusätzlicher Streit über § 1365 BGB soll hier ausgeblendet werden. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren geht die Sache an das Verwaltungsgericht.
Mit Erfolg für den Kläger. Das VG stellte einleitend fest, dass die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vorliegen. Die Gemeinde habe zu benennen und nachzuweisen, dass die Immobilie unter die Kategorie „Schrottimmobilie“ falle oder einen „städtebaulichen Schandfleck“ darstelle. Die Anforderungen an die Darlegungslast seitens der Gemeinde zeigt das Gericht auf. Nicht ausreichend sei der Verweis auf die Lage des Grundstücks mit städtebaulichen Missständen. Das Gericht machte sich sogar die Mühe eines Ortstermins. Der dadurch gewonnene Eindruck ließ die Argumentation der Gemeinde zusammenfallen. Die Gemeinde ließ sich in der mündlichen Verhandlung zum Eingeständnis hinreißen, man habe die „günstige Gelegenheit [eines Kaufvertrags] nutzen“ wollen, an das Grundstück zu kommen, obwohl die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Das Verwaltungsgericht zeigte der beklagten Gemeinde die Grenzen auf.
Nun soll für einen ganz kleinen Bereich, nämlich für Versteigerungen, der Zugriff der Gemeinden unter Abkürzung des Rechtswegs mit der Einführung eines § 94a ZVG-E erleichtert werden. Sah der RefE überhaupt keine Voraussetzungen für die Anordnung einer Verwaltung nach § 94a ZVG-E vor, außer dem Antrag der Gemeinde, wurde im RegE nachgeschärft. Abs. 2 Satz 2 verlangt, dass die Gemeinde zu bestätigen habe, dass gewisse negative Merkmale vorhanden sind. Die reine Bestätigung soll die vom Verwaltungsgericht geforderte Darlegungs- und Beweislast zugunsten der Gemeinde beseitigen.
Eine kleine Recherche förderte zwei kürzlich ergangene Entscheidungen des VG Gelsenkirchen zutage:
- 1. v. 12. 3. 2024 – 6 K 5527/19, juris. Ein Grundstück war in der Zwangsversteigerung. Die baulichen Zustände waren laut Sachverhalt sehr schlecht. Eine Klage des Eigentümers auf Beseitigung der Rückbauverpflichtung scheiterte.
- 2. v. 25. 3. 2023 – 16 K 4839/19, juris. Auch dieses Grundstück war Gegenstand eines Zwangsversteigerungsverfahrens. Zahlreiche Verstöße gegen Baurecht wurden der Klägerin (Auflassungsvormerkungsberechtigte) zur Last gelegt. Die Klage gegen Anordnungen der Gemeinde wies das VG Gelsenkirchen als unbegründet ab.
Beide Verfahren zogen sich über Jahre hin, was sich schon anhand der Aktenzeichen ergibt. Die Gemeinden mussten die heftige Gegenwehr der Störer abwehren und waren erst vor Gericht erfolgreich. Nur so kann der Rechtsstaat funktionieren. Ein weiterer Tiefpunkt ist die angedachte Länderöffnung. Es war das ganz große Verdienst des historischen BGB-/ZVG-Gesetzgebers, Partikularrecht einzudämmen. Dieser große Wurf wird zur Beruhigung der Gegner eines § 94a ZVG-E zerpflückt.
Anmerkung der Redaktion:
Trotz aller Kritik hat der Bundestag am 26. 9. 2024 das Gesetz zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerung von Schrottimmobilien verabschiedet.
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- *)Dipl.-Rpfl., Heilbronn