ZfIR 2013, A 4

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BVerfG: Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich

Abgaben zum Vorteilsausgleich dürfen nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils festgesetzt werden. Dem Gesetzgeber obliegt es vielmehr, für einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und dem Interesse des Beitragsschuldners an Klarheit über seine Inanspruchnahme zu sorgen. Dies entschied das BVerfG in einem am 3.4.2013 veröffentlichten Beschluss (BVerfG, Beschl. v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08). Zugleich hat der Senat eine Vorschrift des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärt, da diese das Interesse des Beitragsschuldners, einem Eigentümer eines an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks, an einer zeitlichen Grenze für die Abgabenerhebung völlig unberücksichtigt lässt. Der Landesgesetzgeber ist gehalten, bis 1.4.2014 eine verfassungsgemäße Neureglung zu schaffen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde: Nach dem bayerischen Landesrecht beträgt die Frist, in der kommunale Beiträge festgesetzt werden dürfen, vier Jahre. Das Bayerische Kommunalabgabengesetz verweist in diesem Zusammenhang weitgehend auf die Abgabenordnung des Bundes. Artikel 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes trifft jedoch eine Sonderregelung für den Fall einer ungültigen Beitragssatzung: In diesem Fall beginnt die Frist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist.
Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Gemeinde fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war. Für die ausgebaute Dachgeschossfläche zog sie den Beschwerdeführer allerdings erst mit Nacherhebungsbescheid vom 5.4.2004 zu einem Kanalherstellungsbeitrag heran. Grundlage hierfür war eine Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5.5.2000, die die Gemeinde zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1.4.1995 in Kraft gesetzt hatte. Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch diese Satzung als unwirksam. Die Gemeinde erließ daraufhin eine neue Satzung und setzte sie rückwirkend zum 1.4.1995 in Kraft.
Die Verfassungsrichter bejahten einen Verstoß des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Soweit Beitragspflichten zum Vorteilsausgleich an zurückliegende Tatbestände anknüpfen, sei es verfassungsrechtlich geboten, diese Inanspruchnahme zeitlich zu begrenzen.
Die Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG führt dazu, dass die verfassungswidrige Vorschrift von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf. Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen diese Vorschrift entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1.4.2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen. Trifft der Gesetzgeber bis zum 1.4.2014 keine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der verfassungswidrigen Vorschrift ein.
(Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 19/2013 vom 3.4.2013)

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