RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln
1433-0172
Zeitschrift für Immobilienrecht
ZfIR
2016
Aktuell
BGH: Tötung des Eigentümers – Ausübung dinglichen Wohnungsrechts
Der Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechts, der den Grundstückseigentümer getötet hat, muss das Wohnungsrecht nicht aufgeben, darf es unter Umständen aber nicht mehr persönlich ausüben (BGH, Urt. v. 11. 3. 2016 – V ZR 208/15).
Der Beklagte war zusammen mit seinem Bruder Eigentümer eines Hausgrundstücks in Leipzig. Anfang 1997 übertrug er seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf den Bruder, behielt sich aber ein dingliches Wohnungsrecht an der Wohnung im Obergeschoss des Anwesens vor. Beides wurde in das Grundbuch eingetragen. Später erstach der Beklagte seinen Bruder während eines Streits. Er wurde wegen Totschlags verurteilt. Erbin des Getöteten und damit Eigentümerin des Grundstücks wurde dessen Mutter. Die frühere Ehefrau des Getöteten wohnt weiterhin auf dem Grundstück.
Die Klägerin, die nicht auf dem Grundstück lebt, verlangt von dem Beklagten die – bedingungslose – Zustimmung zur Löschung des Wohnungsrechts. Sie verweist dabei auf die Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs. Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Der BGH wies die Revision der Klägerin zurück. Die Kündigung eines dinglichen Wohnungsrechts kommt im deutschen – anders als im österreichischen – Recht nur in Betracht, wenn sie als Inhalt des Rechts ausdrücklich vereinbart ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ein Anspruch der Klägerin auf Aufgabe des Wohnungsrechts besteht nicht. Ob und unter welchen Voraussetzungen sich aus § 242 BGB ein Anspruch auf Aufgabe eines Wohnungsrechts ergeben kann, hat der BGH bislang und auch jetzt offen gelassen. Zwar ist es Personen, die dem Getöteten nahe standen und die weiterhin auf dem mit dem Wohnungsrecht belasteten Grundstück wohnen, im Allgemeinen nicht zumutbar, mit dem Täter unter einem Dach zu leben. Der Berechtigte muss sein dingliches Wohnungsrecht nach § 1020 Satz 1 ZfIR 2016, A 5BGB so ausüben, dass die Interessen des Grundstückseigentümers tunlichst geschont werden. Zu diesen Interessen gehören bei einem dinglichen Wohnungsrecht auch die persönlichen Beziehungen zwischen dem Berechtigten und den Personen, die dem getöteten Grundstückseigentümer nahe standen und weiterhin auf dem Grundstück leben. Wenn diese mit dem Berechtigten wegen der Tat nicht mehr auf dem Grundstück unter einem Dach zusammenleben wollen, muss der Berechtigte dem Rechnung tragen. Dieses Ziel ist schon dadurch zu erreichen, dass er die Wohnung nicht mehr selbst nutzt, sondern sie Dritten überlässt, also etwa vermietet. Dazu ist er auf Verlangen des Grundstückseigentümers auch verpflichtet. Diese alternative Möglichkeit der Konfliktlösung schließt einen auf § 242 BGB gestützten Anspruch auf Aufgabe des Wohnungsrechts aus.
(Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 56/2016 vom 11. 3. 2016)