RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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1433-0172
Zeitschrift für Immobilienrecht
ZfIR
2021
Aktuell
LG Berlin stärkt den Schutz alter und am Wohnort verwurzelter Mieter vor der (Eigenbedarfs-)Kündigung ihres Mietverhältnisses
Das LG Berlin hat entschieden (Urt. v. 25. 5. 2021 – 67 S 345/18), dass Mieter vom Vermieter unter Berufung auf ihr hohes Lebensalter und ihre langjährige und tiefe Verwurzelung am Ort der Mietsache die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen können.
Die Parteien des Rechtsstreits streiten über die Räumung und Herausgabe einer von der mittlerweile 89-jährigen Beklagten im Jahre 1997 von den Rechtsvorgängern der Klägerin angemieteten Wohnung. Die Klägerin erklärte erstmals im Jahre 2015 und in der Folge wiederholt die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Die Beklagte und ihr mittlerweile verstorbener Ehemann widersprachen den Kündigungen unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.
Das Verfahren war vom BGH an das Landgericht zurückverwiesen worden (BGH, Urt. v. 3. 2. 2021 – VIII ZR 68/19). Nach Auffassung des BGH begründet das hohe Alter eines Mieters alleine und ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen für den betroffenen Mieter grundsätzlich noch keine Härte. Zudem hänge eine tiefe Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietwohnung maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab.
Das LG Berlin hat die Berufung der klagenden Vermieterin nunmehr erneut zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung können sich Mieter im Einzelfall auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen berechtigt auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich die Mieter zum Zeitpunkt des Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter befänden und zudem aufgrund eines langjährigen Mietverhältnisses tief am Ort der Mietsache verwurzelt seien. Die Folgen des Wohnungsverlusts seien vorliegend für die Beklagte so schwerwiegend, dass sie auf eine Verletzung ihrer durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde hinausliefen. Die Kammer hat gleichzeitig befunden, dass die Interessen der klagenden Vermieterin dahinter zurückzustehen hätten.
Eine erneute Revision gegen das Urteil hat das Landgericht nicht zugelassen. (LG Berlin, PM 24/2021)