ZfIR 2016, A 4

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln 1433-0172 Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR 2016 Aktuell

BGH: Anforderungen an die gewerbliche Weitervermietung von Wohnraum

Der BGH befasste sich in einer Entscheidung mit der Frage, ob der in § 565 BGB vorgesehene Schutz des Mieters bei Anmietung der Wohnung von einem gewerblichen Zwischenmieter auch für den Fall der Vermietung der Wohnung durch eine Mieter-Selbsthilfegenossenschaft als Zwischenmieter an ihre Mitglieder gilt (BGH, Urt. v. 20. 1. 2016 – VIII ZR 311/14). Er präzisierte damit die Anforderungen an die gewerbliche Weitervermietung von Wohnraum. Die Richter verneinten die direkte als auch die analoge Anwendung des § 565 BGB da die Weitervermietung nicht der Gewinnerzielung oder sonst einem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Genossenschaft diente, sondern vielmehr dem Interesse ihrer Mitglieder. Die Genossenschaft habe bereits bei Abschluss des Hauptmietvertrages die Interessen ihrer Mitglieder wahrgenommen. Der BGH kam daher zu dem Ergebnis, dass zwischen den Parteien mietvertragliche Beziehungen nicht bestehen.
Zum Sachverhalt: Die Kläger sind Rechtsnachfolger ihrer Mutter als Eigentümer eines mit einem großen Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in Berlin, das während des NS-Regimes enteignet worden war. Das Haus, in dem seit der Enteignung weder Instandhaltungs- noch Sanierungsmaßnahmen vorgenommen worden waren, wurde nach der Wiedervereinigung an die Mutter der Kläger zurückübertragen. Diese hatte zuvor mit der aus den damaligen Nutzern der Wohnungen bestehenden Selbsthilfegenossenschaft einen Vertrag über die Nutzung, Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes geschlossen.
Weiter sah der Vertrag die Berechtigung der Genossenschaft vor, nach Ablauf der Vertragsdauer von 20 Jahren die bisherigen Nutzer der Wohnungen als Mieter für die jeweils eigengenutzte Wohnung zu benennen. Dabei sollte der Eigentümer des Hauses verpflichtet sein, mit diesen Nutzern Mietverträge nach üblichem Standardformular unter Vereinbarung der ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen.
Nach Ablauf der zwanzigjährigen Nutzungszeit im Jahre 2013 kam es zwischen den Klägern und den Beklagten zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Kläger nach § 565 BGB in die zwischen der Genossenschaft und den Beklagten abgeschlossenen Mietverträge als Vermieter eingetreten sind. Die Klage, mit der die Kläger die Feststellung begehren, dass zwischen ihnen und den Beklagten keine Mietverträge über die jeweilige Wohnung bestehen, blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Die vom BGH zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg.
Der BGH entschied, dass die Kläger nicht gemäß § 565 BGB in die zwischen der Genossenschaft und den Beklagten abgeschlossenen Mietverträge eingetreten sind. § 565 BGB regele den Fall, dass der Mieter (hier: die Genossenschaft) nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten (hier: den Beklagten) zu Wohnzwecken weitervermieten soll. Sie ordnet insoweit an, dass der Vermieter bei Beendigung des (Haupt-)Mietvertrages in den zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag eintritt. Einen solchen Eintritt verneinte der BGH in seiner Entscheidung. Bei der im Hauptmietvertrag vorgesehenen Weitervermietung an die Mitglieder der als Zwischenmieterin handelnden Selbsthilfegenossenschaft handele es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um eine gewerbliche Weitervermietung im Sinne des § 565 BGB.
Der Regelungszweck dieser Vorschrift ziele nicht darauf ab, den Schutz des Mieters generell auf Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter auszudehnen, sondern nur auf bestimmte Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Eigentümer im eigenen Interesse und zum Zwecke des Anbietens der Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen einen Zwischenmieter einschalte, der mit der Weitervermietung wiederum eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. In einem solchen Fall stelle § 565 BGB den Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages so, als hätte er die Wohnung direkt vom Vermieter angemietet und gewährt ihm damit insbesondere auch den sozialen Kündigungsschutz.
Eine grundlegend andere Interessenlage bestehe hingegen, wenn – wie in vorliegenden Fall – der Vertragszweck des Hauptmietvertrages nicht die gewerbliche Weitervermietung sei, sondern der Zwischenmieter mit der Weitervermietung gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke – wie hier in Gestalt der Wahrnehmung der Interessen der eigenen Mitglieder (der Bewohner des Gebäudes) durch die aus ihnen bestehende Selbsthilfegenossenschaft – verfolge. Denn die Zwischenvermietung erfolge dann vor allem im Interesse des Endmieters. Da der Zwischenmieter in diesem Fall die Interessen des Endmieters in der Regel bereits bei der Gestaltung des Hauptmietvertrags wahrnehme, bestehe nicht die Notwendigkeit, den Mieter darüber hinaus bei Beendigung des Hauptmietvertrages zusätzlich dadurch zu schützen, dass der Eigentümer gemäß § 565 BGB als Vermieter in den Mietvertrag eintritt. Diese Fälle seien vielmehr aufgrund des engen Verhältnisses zwischen dem Endmieter und Zwischenmieter eher mit der klassischen Untermiete zu vergleichen, in denen der Untermieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages ebenfalls keinen Kündigungsschutz genieße.
Die Genossenschaft habe bereits bei Abschluss des Hauptmietvertrages die Interessen ihrer Mitglieder, nämlich der Beklagten als Endmieter, wahrgenommen. Sie habe dafür gesorgt, dass der Wohnraum den bisherigen Nutzern erhalten blieb und diese in der besonderen Situation nach der Wiedervereinigung Mietverträge zu einer ungewöhnlich niedrigen Miete erhielten. Zugleich habe sie in dem von ihr abgeschlossenen Hauptmietvertrag Vorsorge dafür getroffen, dass die bisherigen Nutzer auch nach Beendigung des Hauptmietvertrages zu angemessenen Bedingungen in den Wohnungen bleiben konnten.
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Eine direkte als auch eine analoge Anwendung des § 565 BGB sei daher ausgeschlossen.
(Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 19/2016 vom 20. 1. 2016)

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