ZfIR 2010, A 5

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BFH: Rückgängigmachung aufgrund eines befristet vereinbarten und von nachträglich eintretenden Umständen abhängigen Rücktrittsrechts

Der BFH wies die Revision einer Wohnungsbaugesellschaft, mit der diese die fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sowie der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 163 und 227 AO rügte, als unbegründet zurück (BFH, Urt. v. 18.11.2009 – II R 11/08).
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Wohnungsbaugesellschaft, schloss mit der Liegenschaftsverwaltung eines größeren Unternehmens einen notariell beurkundeten Vertrag über den Kauf einer noch zu vermessenden Teilfläche eines unerschlossenen Grundstücks, um darauf Wohnhäuser zu errichten. Die Erschließung der Teilfläche sollte über die Restfläche erfolgen. Die Klägerin sollte mit der Stadt einen Erschließungsvertrag über die Gesamtfläche schließen, in den die Verkäuferin oder deren etwaiger Rechtsnachfolger eintreten sollte. Sollten das Erschließungsvorhaben sowie das Bauvorhaben der Klägerin–letzteres an einem negativen Vorbescheid der Genehmigungsbehörde – scheitern, stand der Klägerin ein bis zum 28.2.2000 auszuübendes Rücktrittsrecht zu. Bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages war die Verkäuferin vollmachtlos vertreten. Sie genehmigte die Erklärungen des Vertreters am 27.10.1999.
Mit Bescheid vom 7.1.2000 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA–) die Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin – wegen der Vermessungskosten vorläufig – auf 16 319 DM fest. Mit Schriftsatz vom 28.1.2004 beantragte die Klägerin die Aufhebung des Bescheids. Die Erschließung und das Bauvorhaben waren gescheitert und deshalb der Kaufvertrag nicht vollzogen worden. Eine zugunsten der Klägerin bereits eingetragene Auflassungsvormerkung wurde wieder gelöscht. In der Zwischenzeit war die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts mehrfach Gegenstand weiterer notarieller Urkunden, mit denen sie hinausgeschoben wurde. In einer Urkunde wurde darüber hinaus die Fälligkeit des Kaufpreises von der Erteilung auch der Baugenehmigung abhängig gemacht.
Bei Beurkundung dieser Fristverlängerungen war die Verkäuferin jeweils vollmachtlos vertreten. Eine Genehmigung liegt nur bezüglich der zweiten und dritten Urkunde vor. Ob die Klägerin vom Vertrag zurückgetreten oder der Vertrag aufgehoben worden ist, ist nicht festgestellt. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit schwankend. Die Vertragsparteien haben das Vertragsverhältnis noch vor Ablauf der letzten Frist für beendet gehalten haben.
Mit Verfügung vom 30.3.2004 lehnte das FA die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung ab, da der Antrag nicht innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt worden sei. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Außerdem beantragte sie, die Grunderwerbsteuer gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) „anderweitig auf 0 DM herabzusetzen“, hilfsweise gemäß § 227 AO „aus sachlichen Gründen zu erlassen“. Beides lehnte das FA ab. Auch gegen diese Ablehnungsverfügungen legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.
Im Weiteren verneinte das Finanzgericht (FG) einen Aufhebungsanspruch sowohl nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als auch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei nicht einschlägig, weil die darin vorgeschriebene Zwei-Jahres-Frist nicht eingehalten sei. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sei nicht anwendbar, da es an einem zivilrechtlichen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gefehlt habe.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sowie der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 163 und 227 AO. Maßgeblich für die Erhebung von Grunderwerbsteuer als einer Verkehrsteuer sei ein Rechtsträgerwechsel und zu solch einem Wechsel sei es im Streitfall nicht gekommen. Wenn dem nicht mithilfe der §§ 16 GrEStG und 175 AO Rechnung getragen werden könne, müsste auf der Grundlage der §§ 163 und 227 AO für Abhilfe gesorgt werden.
Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
1. Wird in einem Grundstückskaufvertrag ein vom nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängiges Rücktrittsrecht vereinbart, unterfällt die Ausübung dieses Rechts bei vollständiger Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs dem § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG und unterliegt daher nicht der Zweijahresfrist der Nr. 1 der Vorschrift.
2. Ist ein solches Rücktrittsrecht befristet vereinbart, bleibt es trotz ggf. mehrfach noch innerhalb der laufenden Frist erfolgter Verlängerung bestehen, wenn jeweils wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Anspruch auf Vertragsanpassung in Gestalt einer Fristverlängerung bestand.
3. Ist die vereinbarte Frist für die Ausübung eines derartigen Rücktrittsrechts erst einmal verstrichen, stellt eine dennoch vereinbarte „Fristverlängerung“ die Begründung eines neuen Rücktrittsrechts dar. Ihm kommt nur Bedeutung zu, wenn sowohl die Neubegründung als auch die Ausübung dieses Rechts noch innerhalb der Zweijahresfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfolgt.

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