ZfIR 2017, A 4

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LG Berlin: Mietpreisbremse verfassungswidrig

Nach einer Entscheidung des LG Berlin ist § 556d BGB (sog. Mietpreisbremse) verfassungswidrig. In einem ausführlichen Hinweisbeschluss vom 14. 9. 2017 teilte das LG zunächst mit, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Frage einzuholen, ob die genannte Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zur Verfahrensaussetzung kam es allerdings nicht, da sich in der Folge herausstellte, dass es aufgrund weiteren Vortrags der Parteien in diesem Fall auf die Frage der Verfassungswidrigkeit nicht mehr ankomme und das Gericht selbst entscheiden konnte (LG Berlin, Beschl. v. 14. 9. 2017 und Urt. v. 19. 9. 2017 – 67 O 149/17).
Die Berufung der Mieterin wurde in der Folge zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung wies das Gericht jedoch nochmals darauf hin, dass die Vorschrift nach seiner Auffassung verfassungswidrig sei.
In dem Verfahren ging es um die Klage einer Mieterin, die von der Vermieterin u. a. begehrte, 1.241,11 € überhöhte Miete zurückzuerhalten. Vermietet wurde eine 1-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 39 m² zu einem Mietzins von 351,00 € netto kalt monatlich. Die Vormieterin hatte zuvor 215,00 € netto kalt an die Vermieterin gezahlt.
Das LG wies die Parteien zunächst in seinem Hinweisbeschluss darauf hin, dass es § 556d BGB für verfassungswidrig halte. Es liege eine ungleiche Behandlung von Vermietern vor. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber Differenzierungen vornehme, müssten diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien. Dies habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556d BGB nicht beachtet und in verfassungswidriger Weise in das Recht der Mietvertragsparteien, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen. § 556d BGB in Verbindung mit der von dem Land Berlin erlassenen Rechtsverordnung begrenze die zulässige Neuvermietung auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Da bundesweit der Wohnungsmietmarkt preislich seit langem starke Unterschiede aufweise, belaufe sich die ortsübliche Vergleichsmiete zum Beispiel in München auf 11,28 € pro Quadratmeter in 2013 und 12,28 € pro Quadratmeter in 2016, während sie in Berlin nur bei 6,49 € bzw. 7,14 € (Berlin-West) pro Quadratmeter gelegen habe. Der Unterschied betrage mithin jeweils über 70 %.
Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich treffe. Weder der Gesetzeszweck noch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile noch sonstige Sachgründe rechtfertigten dies. Insbesondere seien im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern nicht erhoben worden. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener, die vom Gesetz geschützt werden sollten, in höherpreisigen Mietmärkten wie München erheblich besser gestellt seien als die gleichen Zielgruppen in Berlin.
Darüber hinaus liege auch deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d. h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt würden. Denn diese Vermieter dürften bei einer Neuvermietung die „alte“ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen. Ein Bestandsschutz für diese „alte“ Miete könne jedoch bei einer Neuvermietung nicht angenommen werden. Zudem sei die Ungleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg unvereinbar. Denn diejenigen Vermieter, die in der Vergangenheit eine maßvolle Miete verlangt hätten, würden erheblich benachteiligt gegenüber denjenigen Vermietern, die schon in der Vergangenheit die am Markt erzielbare ZfIR 2017, A 5Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen hätten, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp werde.
Letztlich konnte das LG Berlin aufgrund weiteren Vortrags der Parteien doch selbst entscheiden und musste den Rechtsstreit nicht aussetzen, um eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Die Berufung der Mieterin wurde durch Urteil zurückgewiesen.
(Quelle: Pressemitteilung des LG Berlin Nr. 55/2017 vom 19. 9. 2017)

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