ZfIR 2021, A 3

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 1433-0172 Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR 2021 Aktuell

BGH: Bundesländer dürfen grenzüberschreitende Wärmedämmung bei Bestandsbauten regeln

Gegenstand der verkündeten Entscheidung des für das Nachbarrecht zuständigen V. Zivilsenats des BGH (v. 12.11.2021 – V ZR 115/20) ist die Frage, ob landesrechtliche Regelungen, die eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung von Bestandsbauten erlauben, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Nordrhein-Westfalen, die jeweils mit vermieteten Mehrfamilienhäusern bebaut sind. Die Giebelwand des vor mehreren Jahrzehnten errichteten Gebäudes der Klägerin steht direkt an der gemeinsamen Grundstücksgrenze, während das Gebäude der Beklagten etwa 5 Meter von der Grenze entfernt ist. Gestützt auf die Behauptung, eine Innendämmung ihres Gebäudes könne nicht mit vertretbarem Aufwand vorgenommen werden, verlangt die Klägerin von den Beklagten, dass diese die grenzüberschreitende Außendämmung der Giebelwand der Klägerin gem. § 23a NachbG NW dulden.
Das Amtsgericht hatte der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Landgericht die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen Revision. Die Revision hat Erfolg gehabt. Der V. Zivilsenat hat das Urteil des Amtsgerichts, das der Klage vollen Umfangs stattgegeben hat, wiederhergestellt; die Beklagten müssen es nun also dulden, dass die Klägerin die Wärmedämmung anbringt.
Der Senat hat keinen Anlass für eine Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG – anders als es das Landgericht aufgrund der von ihm erklärten Verfassungswidrigkeit von § 23a NachbG hätte tun müssen – gesehen, weil er § 23a NachbG NW für verfassungsgemäß hält. Das private Nachbarrecht unterfällt als Teil des bürgerlichen Rechts gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Für eine Gesetzgebung der Länder ist daher gem. Art. 72 Abs. 1 GG nur Raum, wenn der Bund die Materie nicht erschöpfend geregelt hat. Das Nachbarrecht des Bundes regelt in § 912 BGB, unter welchen Voraussetzungen ein rechtswidriger Überbau auf das Nachbargrundstück im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes geduldet werden muss. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass ein vorsätzlicher Überbau im Grundsatz nicht hingenommen werden muss. Aber der in Art. 124 EGBGB enthaltene Regelungsvorbehalt erlaubt den Erlass neuer (vgl. dazu Art. 1 Abs. 2 EGBGB) landesgesetzlicher Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zu Gunsten der Nachbarn noch „anderen“ als den im BBG bestimmten Beschränkungen unterwerfen. Die bislang umstrittene Frage, wann eine „andere“ Beschränkung vorliegt, so dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder besteht, lässt sich, wie der BGH nun grundsätzlich geklärt hat, nur auf der Grundlage einer vergleichenden Gesamtwürdigung der bundes- und landesrechtlichen Regelungen bestimmen. Daran gemessen sind die landesrechtlichen Regelungen zur nachträglichen Wärmedämmung als „andere“ Beschränkung anzusehen, so dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder gegeben ist. (BGH, PM Nr. 210/2021 v. 12. 11. 2021)

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