ZfIR 2017, A 5

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BGH: Generalklausel bei Wohnraumkündigungen

Der BGH entschied zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter nach der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB – hier zwecks Durchführung eines sozialen Wohngruppenprojekts durch einen Dritten – wirksam ist (BGH, Urt. v. 10. 5. 2017 – VIII ZR 292/15).
In dem Verfahren hatte der Kläger – ein eingetragener Verein –, der 2014 das Hausgrundstück mit der Wohnung der Beklagten in einem Mehrfamilienhaus erworben hatte, den Beklagten nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB gekündigt und dies damit begründet, dass andernfalls das geplante Arbeits- und Lebensprojekt nicht realisiert werden könne. Der Kläger ist zugleich an einer Gesellschaft (GmbH) beteiligt, die Trägerin vielfältiger Einrichtungen mit umfassender medizinischer, sozialer, pädagogischer und rehabilitativer Betreuung ist. Diese beabsichtigt, die Gebäude unter Nutzung von Fördermitteln (Investitionsbetrag nach §§ 75 ff. SGB XII pro Tag und Wohnplatz) und ohne finanzielle Belastung für den Kläger im Rahmen eines „Arbeits- und Lebensprojekts“ zu sanieren und umzubauen. Dabei sollen im bisherigen Mehrfamilienhaus und in der Scheune psychosoziale Wohngruppen mit insgesamt 23 Wohnplätzen geschaffen werden. Der Kläger möchte das Grundstück zur Verwirklichung dieses Projekts an die Gesellschaft vermieten.
Der BGH entschied nun, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam ist, weil weder der vom Kläger geltend gemachte Kündigungstatbestand der Verwertungskündigung (573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) vorliege noch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben sei. Der Kläger würde durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit den Beklagten – selbst wenn man ihm zusätzlich zu seinen wirtschaftlichen Interessen die Berufung auf die von der Gesellschaft verfolgten gemeinnützigen Interessen gestattete – keinen Nachteil „von einigem Gewicht“ erleiden. Damit überträgt der Senat seine im Urteil vom 29. 3. 2017 entwickelte Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Anwendung der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB bei einem Geschäftsbedarf des Vermieters (VIII ZR 45/16) auf weitere Fälle des Nutzungsbedarfs des Vermieters.
Bei Anwendung der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB verlange das Gesetz eine einzelfallbezogene Feststellung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien. Für die Bestimmung des berechtigten Interesses haben die Gerichte zu beachten, dass sowohl die Rechtsposition des Vermieters als auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt sind. Allgemein verbindliche Betrachtungen verbieten sich dabei.
Sei das vom Vermieter angeführte Interesse mehr mit der von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfassten wirtschaftlichen Verwertung vergleichbar, müsse der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen, der je nach Fallgestaltung auch die Intensität eines erheblichen Nachteils im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfordern könne. Gemessen hieran sei im vorliegenden Fall ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht gegeben.
Insgesamt weise die vom Kläger geltend gemachte Interessenlage eine größere Nähe zur Verwertungskündigung auf, so dass für die Annahme eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses erforderlich sei, dass der Vermieter durch die Vorenthaltung der Mieträume einen Nachteil von einigem Gewicht erleide. Im vorliegenden Fall gefährde die Fortsetzung des Mietverhältnisses die Finanzierung und Verwirklichung des Gesamtprojekts nicht, sondern führe lediglich dazu, dass 3 von insgesamt 23 geplanten Wohngruppenplätzen nicht geschaffen werden können.
(Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 69/2017 vom 10. 5. 2017)

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