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RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, KölnRWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln1433-0172Zeitschrift für ImmobilienrechtZfIR2014Aktuell

AG München: Unzulässige Überwachung mittels Video-Türspion

Die Überwachung des Hausflurs mit einem Video-Türspion verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mitmietern und Dritten (AG München, Urt. v. 4.12.2013 – 413 C 26749/13).
Eine Münchnerin brachte an der Eingangstür ihrer im Erdgeschoß liegenden Etagenwohnung im Stadtgebiet von München einen elektrischen Video-Türspion an, da sie Angst vor ihren Etagennachbarn hatte. Der Türspion funktionierte der Gestalt, dass er tagsüber im „Live-Modus“ das Geschehen im Hausflur im Bereich unmittelbar vor der Wohnungseingangstür auf einen in der Wohnung befindlichen Bildschirm überträgt, aber keine Aufnahmen fertigt. In der Nacht ist das Gerät auf Automatikmodus" geschaltet, wodurch bei Aktivierung des Bewegungsmelders die Videokamera ausgelöst und das Geschehen im Flur/Treppenhaus im Bereich vor der Wohnungseingangstür der Beklagten aufgezeichnet und gespeichert wird. Diese Aufnahmen können dann auf dem Bildschirm in der Wohnung oder einem PC angesehen werden. Die beklagte Münchnerin sichtete morgens die Aufnahmen der vorangegangenen Nacht und löschte diese, sofern nichts Verdächtiges festgestellt wurde. Die Kamera wurde Anfang April 2013 von der Vermieterin bei einer Hausbegehung entdeckt. Die Mieterin wurde aufgefordert, die Kamera zu entfernen, da die Überwachung des Hauseingangs durch die Kamera einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitmieter und Besucher darstelle.
Die Mieterin war der Meinung, zum Einbau und Betrieb des Türspions berechtigt zu sein, da sie Angst von ihren Nachbarn habe, mit denen sie sich seit Jahren im Streit befinde. Da sie sich weigerte, die Kamera abzubauen, wurde sie von der Vermieterin auf Entfernung der Videokamera verklagt.
Die zuständige Richterin gab der Vermieterin Recht: Die Vermieterin könne Beseitigung verlangen, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mitmietern oder Dritten verletzt sei und dieser Eingriff nicht gerechtfertigt ist. Hierzu ist eine Interessenabwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Mitmieter und Dritten und dem Schutzinteresse der Vermieterin einerseits und dem Eigentumsrecht und Überwachungsinteresse der beklagten Mieterin andererseits vorzunehmen.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 GG umfasst auch die Freiheit vor unerwünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, insbesondere in der Privat- und Intimsphäre im häuslichen und privaten Bereich. Dies beinhalte für die Mitmieter nicht nur die Freiheit, die Wohnung oder das Haus zu verlassen oder zu betreten, ohne dass ein Mitmieter dies stets überwacht und jederzeit feststellen kann. Es beinhalte darüber hinaus auch das Recht, ungestört und nicht überwacht Besuch zu empfangen.
Hier wurde die Privatsphäre der Mitmieter und Besucher verletzt, da die Videoüberwachung und insbesondere die Videoaufzeichnung in der Nacht im häuslichen Bereich stattfand.
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Eine Überwachung des Hausflures, der Hauseingangstür oder anderer gemeinschaftsbezogener Flächen ist grundsätzlich unzulässig, da diese Bereiche allgemein zugänglich sind und nicht dem alleinigen Hoheitsbereich der beklagten Mieterin unterstehen oder ihrem alleinigen Hausrecht unterfallen. Denn die Mitmieter und Besucher, die berechtigt den Flur bzw. das Treppenhaus betreten, werden per Video aufgenommen. Sie werden, unabhängig von ihrem Verhalten, nachts gefilmt und die Aufnahmen werden gespeichert. Die Beklagte entscheidet allein, ob die Aufnahmen gelöscht werden oder nicht. Dies stelle eine massive Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mitmieter und Besucher dar.
Das Gericht stellt weiter fest, dass dieser Eingriff auch nicht wegen der Streitigkeiten mit den Nachbarn gerechtfertigt war. Eine Überwachung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Überwachung zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Angriffe auf die Person der Mieterin notwendig sei und dieser Gefahr nicht anders begegnet werden könne. Das Urteil ist rechtskräftig.
(Quelle: Pressemitteilung des AG München 19/14 vom 12.5.2014)

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