ZfIR 2011, A 4

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VG Frankfurt/M.: Baugenehmigung eines Hochhauses nebst Befreiungsbescheid nichtig

Auf die Klage eines Nachbarn wurde die dem Eigentümer eines 1974/75 errichteten 22-geschossigen Büro-Hochhauses in Frankfurt/M. von der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt am Main 2009 erteilte Baugenehmigung samt Befreiungsbescheid von Festsetzungen des Bebauungsplans NW 1b Nr. 2 der Stadt Frankfurt/M. für die Erweiterung dieses Hochhauses u. a. um einen 5-geschossigen Vorbau und den Umbau zu einem Hotel aufgehoben (VG Frankfurt/M., Urt. v. 18.3.2011 – 8 K 3785/10.F). Das Hochhaus ist derzeit entkernt und ungenutzt.
1974 hatte die Bauaufsichtsbehörde für das Büro-Hochhaus die Baugenehmigung erteilt und mit Befreiungsbescheid Befreiung u. a. von der in dem Bebauungsplan festgesetzten Geschossflächenzahl (GFZ) von 2,0 für eine GFZ von 7,06 und Befreiung von der festgesetzten Grundflächenzahl (GRZ) von 0,60 für eine GRZ von 0,71 erteilt. Mit dem Befreiungsbescheid von 2009 erteilte die Bauaufsichtsbehörde Befreiung für eine GFZ von 8,5 und eine GRZ von 0,83. Beide Festsetzungen regeln das höchstzulässige Maß der baulichen Nutzung eines Grundstücks.
Das Gericht sah durch die Befreiung die Pflicht zur Beachtung nachbarlicher Interessen und das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme als verletzt an. Zur Begründung führte das VG Frankfurt/M. aus, dass nach allgemeiner Auffassung und insbesondere nach der ober- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dem Instrument der Befreiung von den Vorgaben des Bebauungsplanes enge Grenzen gesetzt seien. Der Bebauungsplan habe Rechtsnormcharakter und seine Festsetzungen seien für das Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich strikt verbindlich. Das Instrument der Befreiung diene nur dazu, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität zu schaffen. Das gesetzliche Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung verbiete es aber, mittels Befreiung die Festsetzungen des Bebauungsplans beliebig außer Kraft zu setzen.
Baugenehmigungen für Hochhäuser setzten wegen der gravierenden Auswirkungen u. a. auf Nachbarschaft, Ortsbild, Gewährleistung der Belüftung und Lufthygiene, bioklimatische Effekte der Verdichtung, Verkehr, Gesamtlärmemissionen einen „passgenauen“ Bebauungsplan als Teil eines städtebaulichen Hochhaus-Konzeptes voraus, in dem insbesondere der exakte Standort und die Höhe und ggfs. der Zahl der Vollgeschosse festgesetzt seien. Wegen dieser „Passgenauigkeit“ schieden Befreiungen etwa von einer Höhenfestsetzung aus, da sie u. a. die Grundzüge der Planung veränderten.
Tragendes Planungskonzept des Bebauungsplans NW 1b Nr. 2 sei die gesetzlich höchstzulässige Festsetzung einer GFZ von 2,0 und die GRZ von 0,6 gewesen. Hier sei allenfalls ein viergeschossiges Gebäude zulässig gewesen. Die Befreiung von der festgesetzten GFZ von 2,0 für eine GFZ von 7,06 und nunmehr gar von 8,5 sei offenkundig keine einer Befreiung zugängliche minimale Abweichung, sondern die Zulassung des Vielfachen des Zulässigen und bedeute faktisch eine Befreiung für wei-ZfIR 2011, A 5tere 18 Geschosse. In diesem eklatanten Missbrauch des Instrumentariums der Befreiung liege der besonders schwerwiegende, zur Nichtigkeit führende Fehler.
Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung bei dem Hessischen VGH beantragt werden.
(Quelle: Pressemitteilung des VG Frankfurt/M. Nr. 08/2011 vom 17.05.2011)

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