ZfIR 2010, A 4

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BGH: zur internationalen Zuständigkeit bei Verträgen über Teilzeitwohnrechte

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein nach österreichischem Recht, der seinen Mitgliedern Ferienwohnrechte in einer Hotelanlage verschafft. Mit „Zeichnungsschein“ vom 29.5.1995 trat der in Deutschland wohnhafte Beklagte dem Kläger bei und erwarb ein Ferienwohnrecht an einem bestimmt bezeichneten Appartement für die jeweilige Jahreswoche 50 zu einem Preis von 15 600 DM. Die Vereinsstatuten des Klägers sehen vor, dass die Mitglieder jährliche Beiträge zur Deckung der für die Erhaltung der Anlage erforderlichen Aufwendungen aufzubringen haben. Mit seiner Klage macht der Kläger die Jahresbeiträge für die Jahre 2003 bis 2005 in Höhe von insgesamt 1 206,37 € nebst Verzugszinsen geltend. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Der BGH entschied nun, dass Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen* (im Folgenden: EuGVVO) der Wohnsitzzuständigkeit (Art. 2 EuGVVO**) hier nicht entgegenstehe, so dass die deutschen Gerichte international zuständig sind (2;BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 119/08). Er hob daher das Berufungsurteil auf, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Zwar sind für Klagen, welche die Miete von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, nach Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaats zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Der Beitritt des Beklagten zu dem klägerischen Verein ist aber nach der Gestaltung der hier in Rede stehenden Vereinsstatuten nicht als Miete einer unbeweglichen Sache im Sinne von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO einzustufen. Die Vorschrift gilt für Klagen, die die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im eigentlichen Sinn zum Gegenstand haben, bei denen also zwischen den Parteien über das Bestehen oder die Auslegung des Vertrags, den Ersatz für vom Mieter oder Pächter verursachte Schäden oder die Räumung der Sache gestritten wird. Bei einem Vertrag über eine Clubmitgliedschaft, der es den Mitgliedern ermöglicht, ein Teilzeitnutzungsrecht zu erwerben, ist maßgeblich, ob der Zusammenhang zwischen dem Vertrag und der Immobilie, die tatsächlich genutzt werden kann, hinreichend eng ist, um die Einordnung des Vertrags als Miete einer unbeweglichen Sache zu rechtfertigen. Dabei kann von Bedeutung sein, ob die zu nutzende Immobilie im Einzelnen bestimmt ist und ob und in welchem Umfang der Vertrag die Erbringung zusätzlicher Leistungen vorsieht. Ein gemischter Vertrag, kraft dessen gegen einen von dem Kunden gezahlten Gesamtpreis eine Gesamtheit von Dienstleistungen zu erbringen ist, liegt außerhalb des Bereichs, in dem der in Art. 22 Nr. 1 EuGVVO aufgestellte Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit seine Daseinsberechtigung hat, und ist kein eigentlicher Mietvertrag im Sinne dieser Vorschrift.
Nach diesen Grundsätzen sei ein enger Zusammenhang zwischen der Vereinsmitgliedschaft und dem Ferienwohnrecht hier nicht gegeben, so der BGH. Zwar ist die Immobilie, die aufgrund der Vereinsmitgliedschaft tatsächlich genutzt werden kann, durch die Bezeichnung eines Appartements und der Nutzungszeit im Einzelnen bestimmt. Hauptgegenstand des vorliegenden Vertrags sei aber nicht die Miete einer unbeweglichen Sache, sondern eine Vereinsmitgliedschaft. Vereinszweck ist nach den Vereinsstatuten neben der Überlassung von Ferienwohnrechten an die Mitglieder auch die Erhaltung und Verwaltung der gesamten Hotelanlage. Die dafür zu leistenden Beiträge treten zu dem ursprünglichen Erwerbspreis hinzu und haben im Verhältnis zu diesem ein erhebliches Gewicht. Die Vereinsmitgliedschaft umfasse deshalb Rechte und Pflichten, die über die Übertragung des Nutzungsrechts hinausgehen und den Vertrag auch wirtschaftlich entscheidend prägen. Da für die Beschlüsse des Klägers das Mehrheitsprinzip gelte, können den Mitgliedern zur Verfolgung der Vereinszwecke ferner auch Pflichten auferlegt werden, die eine Minderheit nicht billige. Dieses – jeder Vereinsmitgliedschaft immanente – Risiko, dem im deutschen Recht durch die zwingende Vorschrift des § 39 BGB Rechnung getragen wird, werde hier dadurch noch erhöht, dass – wie das Berufungsgericht festgestellt hat - die Mitgliedschaft in dem nach österreichischem Recht gegründeten Verein ursprünglich mindestens 99 Jahre dauern sollte und nun-ZfIR 2010, A 5mehr nach einer Satzungsänderung frühestens nach 15 Jahren durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Auch durch dieses weitere, rechtlich wie wirtschaftlich gewichtige Element unterscheide sich der hier zu beurteilende Vertrag von einem Mietvertrag im eigentlichen Sinne.
* Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 EuGVVO lautet: „Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig: für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete und Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.“
** Art. 2 Abs. 1 EuGVVO lautet: „Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“
(Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 257/2009 vom 16.12.2009)

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