BGH, Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 33/20

19.04.2021

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

26. Februar 2021

RinkeJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


WEG § 3 aF


Bei einer Aufteilung durch Teilungsvertrag gemäß § 3 WEG aF kann derjenige, der seine Einheit von einem der teilenden Eigentümer erwirbt, als werdender Wohnungseigentümer anzusehen sein; das kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn aus objektivierter Erwerbersicht eine strukturelle Vergleichbarkeit mit einer einseitigen Aufteilung gemäß § 8 WEG aF durch einen Bauträger gegeben ist, weil das Gebäude seitens der teilenden Eigentümer errichtet oder grundlegend saniert und zumindest ein Teil der Einheiten im Zuge der Aufteilung veräußert werden soll.


BGH, Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 33/20 - LG Stuttgart, AG Ludwigsburg


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart

- 19. Zivilkammer - vom 8. Januar 2020 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerin, eine GmbH, und eine Schwestergesellschaft mit demselben Geschäftsführer erwarben im Jahr 2013 gemeinsam ein Grundstück zum Zwecke der Bebauung. Die Klägerin sollte dort insgesamt 43 Wohneinheiten, 52 Tiefgaragenplätze, zwei Kellerräume sowie eine Gewerbeeinheit errichten. Mit notariellem Vertrag vom 20. November 2015 wurde das Grundstück gemäß § 3 WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung (im Folgenden: WEG aF) aufgeteilt, wobei die Schwestergesellschaft die Gewerbeeinheit und die Klägerin die übrigen Einheiten erhielt. Nach Vollzug der Aufteilung im Grundbuch errichtete die Klägerin das Gebäude, veräußerte sämtliche ihr gehörenden Einheiten und übergab jeweils den Besitz an die Erwerber, während die Schwestergesellschaft weiterhin Eigentümerin der Gewerbeeinheit blieb.

[2] Am 11. Dezember 2018 fand eine Eigentümerversammlung statt. Zu diesem Zeitpunkt waren einzelne Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen, und die Übereignungsansprüche der übrigen Erwerber waren durch Auflassungsvormerkungen gesichert. Zu der Versammlung eingeladen waren sowohl die Erwerber als auch die Klägerin und die Schwestergesellschaft. Unter Mitwirkung der Erwerber wurden sieben Beschlüsse gefasst (TOP 1 bis 7).

[3] Die Klägerin ist der Ansicht, dass den noch nicht in das Grundbuch eingetragenen Erwerbern kein Stimmrecht zugestanden habe und die zu TOP 1 bis 7 gefassten Beschlüsse daher nichtig, jedenfalls aber anfechtbar seien. Die darauf gestützte Beschlussmängelklage hat das Amtsgericht als unbegründet abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

[4] I. Das Berufungsgericht sieht die Klage mangels Anfechtungsbefugnis der Klägerin als unzulässig an. Zwar sei die Klägerin im Grundbuch weiterhin als Eigentümerin einer Vielzahl von Einheiten eingetragen. Ihr Stimmrecht und damit die Anfechtungsbefugnis seien aber auch hinsichtlich dieser Einheiten auf die Erwerber übergegangen, die als werdende Wohnungseigentümer anzusehen seien. Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft schon vor Veräußerung der Einheiten durch Eintragung der teilenden Eigentümer im Grundbuch entstanden sei, stehe der Anwendung dieser Rechtsfigur ebenso wenig entgegen wie die Aufteilung durch Teilungsvertrag. Die Interessenlage bei einer Aufteilung durch Teilungsvertrag (§ 3 WEG aF) könne derjenigen bei einer einseitigen Aufteilung durch einen Bauträger (§ 8 WEG aF) entsprechen. Unabhängig von der rechtlichen Konstruktion seien die Erwerber bei einer Aufteilung in noch zu errichtende Einheiten unter Mitwirkung eines Bauträgers über längere Zeit von dem Veräußerer abhängig, weil sich die Umschreibung im Grundbuch verzögern könne. Sie müssten jedoch durch mitgliedschaftliche Rechte auf die Verwaltung einwirken können, was ihrer typischerweise übernommenen Kostenlast und Nutzungsmöglichkeit entspreche. Andernfalls könne die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers leicht umgangen werden. Hier rechtfertige sich die Gleichstellung mit einer Aufteilung gemäß § 8 WEG aF daraus, dass die Klägerin eine Errichtungsverpflichtung übernommen habe und das Vorhaben auf die Entstehung einer großen Wohnungseigentümergemeinschaft mit vielen noch zu werbenden Erwerbern ausgerichtet gewesen sei. Zudem habe eine enge Verbundenheit zwischen den teilenden Eigentümern bestanden.

[5] II. Die Beklagten waren im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl ist über die Revision der Klägerin nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sich die Revision auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 1967 ­ V ZR 112/64, NJW 1967, 2162; Urteil vom 3. Mai 2002 - V ZR 217/01, NJW 2002, 2241). Die Entscheidung des Berufungsgerichts, wonach die Klage mangels Anfechtungsbefugnis der Klägerin als unzulässig abzuweisen ist, hält der rechtlichen Überprüfung stand. Da das Verfahren vor dem 1. Dezember 2020 rechtshängig geworden ist, richten sich die Voraussetzungen der Anfechtungsklage nach § 46 WEG aF (§ 48 Abs. 5 WEG).

[6] 1. Dafür, dass die Klägerin als Wohnungseigentümerin im Sinne von § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF anfechtungsbefugt ist, spricht allerdings, dass sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) eingetragene Eigentümerin einer Reihe von Einheiten war. Festgestellt hat das Berufungsgericht aber auch, dass schon vor der Eigentümerversammlung für jede dieser Einheiten jeweils ein Erwerbsvertrag geschlossen, der daraus resultierende Übereignungsanspruch durch Vormerkung gesichert und der Besitz an die jeweiligen Erwerber übergeben worden war. Deshalb kommt es darauf an, ob die Erwerber sog. werdende Wohnungseigentümer sind. Dann nämlich träfe es zu, dass die Klägerin ungeachtet der Grundbucheintragung schon vor der Eigentümerversammlung nicht mehr als Wohnungseigentümerin im Sinne von § 46 WEG aF anzusehen war. Das Stimmrecht wäre ebenso wie die Anfechtungsbefugnis auf die Erwerber übergegangen und stünde nicht (mehr) der Klägerin zu (vgl. Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 18; Urteil vom 11. Dezember 2015 - V ZR 80/15, ZfIR 2016, 237 Rn. 13). Die materiell-rechtliche Frage, wer die Rechtsstellung des Wohnungseigentümers innehat, richtet sich mangels abweichender Übergangsvorschriften nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung als dem zur Zeit der Beschlussfassung geltenden Recht (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 ­ V ZR 74/08, NZM 2009, 199 Rn. 12, insoweit in BGHZ 179, 230 nicht abgedruckt).

[7] 2. Nach der Rechtsprechung des Senats geht die mitgliedschaftliche Stellung des Wohnungseigentümers bei einem sog. Zweiterwerb aus einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Gemeinschaft heraus erst mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch auf den Erwerber über (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1988 - V ZB 6/88, BGHZ 106, 113, 117 ff.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für den sog. Ersterwerb. Derjenige, der von dem teilenden Eigentümer Wohnungseigentum erwirbt, erlangt mit der Auflassungsvormerkung und der Übergabe der Wohnung eine besondere Rechtsstellung als werdender Wohnungseigentümer. Er ist während der Übergangsphase bis zu seiner Eintragung als Eigentümer in vorverlagerter analoger Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes wie ein Wohnungseigentümer zu behandeln und deshalb auch berechtigt, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen und abzustimmen (näher Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 - V ZR 159/19, ZfIR 2020, 542 Rn. 9; Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 5; Beschluss vom 5. Juni 2008 - V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 Rn. 12 ff.). Da die mitgliedschaftliche Stellung nur insgesamt auf den Erwerber übergehen kann, wird der teilende Eigentümer von den Kosten und Lasten des Wohnungseigentums befreit und verliert zugleich das Stimm- und Anfechtungsrecht (vgl. Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 18; Urteil vom 11. Dezember 2015 - V ZR 80/15, ZfIR 2016, 237 Rn. 13).

[8] 3. Die Rechtsprechung zum werdenden Wohnungseigentümer bezieht sich allein auf den Erwerb von einem teilenden Eigentümer, also auf die einseitige Aufteilung gemäß § 8 WEG aF (vgl. nunmehr § 8 Abs. 3 WEG). Hier hingegen ist die Aufteilung durch Teilungsvertrag gemäß § 3 WEG aF erfolgt. Ob - und ggf. unter welchen Voraussetzungen - die genannte Rechtsprechung bei einem Teilungsvertrag Anwendung finden kann, ist umstritten.

[9] a) In erster Linie diskutiert wird darüber, ob unter den teilenden Bruchteilseigentümern eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft entstehen kann. Nach überwiegender Ansicht fehlt es insoweit an einem Bedürfnis für die vorverlagerte Anwendung der wohnungseigentumsrechtlichen Regeln, da die Wohnungseigentümergemeinschaft schon mit dem Vollzug der Aufteilung durch Anlegung der Wohnungsgrundbücher entstehe (vgl. BayObLG, NJW-RR 1992, 597, 598; ZWE 2001, 74; NJW-RR 2002, 1022; KG, ZWE 2001, 275, 277; aus der Literatur etwa Zimmer in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 3 Rn. 4b; Riecke/Schmid/Lehmann-Richter, WEG, 5. Aufl., § 10 Rn. 41). Nach der Gegenauffassung besteht ein solches Bedürfnis jedenfalls dann, wenn sich der Vollzug der Aufteilung im Grundbuch verzögert ("steckengebliebenen Bauherrengemeinschaft"; vgl. etwa Schmidt-Räntsch in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 10 Rn. 13; Staudinger/Rapp, BGB [2018], § 3 WEG Rn. 41; BeckOGK/M. Müller, WEG [1.3.2020], § 1 Rn. 219 ff.). Mit der Neuregelung in § 9a Abs. 1 Satz 2 WEG, wonach die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher entsteht, könnte diese Diskussion nunmehr obsolet sein (so Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 293; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 9a Rn. 33).

[10] b) Der vorliegende Sachverhalt gehört aber zu einer anderen Fallgruppe. Es geht nicht um eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Vollzug des Teilungsvertrags im Grundbuch entstanden ist und sich zunächst aus der Klägerin und deren Schwestergesellschaft zusammensetzte. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, ob ein Erwerber, an den eine Einheit im Anschluss an eine vollzogene Aufteilung gemäß § 3 WEG aF veräußert worden ist, nach Eintragung einer Vormerkung und Besitzübergabe als werdender Wohnungseigentümer behandelt werden muss. Vereinzelt wird dies generell befürwortet, weil ein Unterschied zu einem Ersterwerber bei der Aufteilung gemäß § 8 WEG aF nicht erkennbar sei (vgl. Wenzel, NZM 2008, 625, 627; Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rn. 21). Andere halten dies jedenfalls dann für erforderlich, wenn die Interessenlage mit derjenigen bei einer einseitigen Aufteilung gemäß § 8 WEG aF vergleichbar sei; das wird in Betracht gezogen, wenn der Teilungsvertrag zwischen dem Bauträger und einer ihm nahestehenden Person geschlossen wird (vgl. LG Frankfurt/Main, ZfIR 2020, 204, 205 f.; zustimmend Baer, ZfIR 2020, 206 f.; Reif, ZWE 2021, 35 f.; für das neue Recht ebenso Palandt/Wicke, BGB, 80. Aufl., § 8 WEG Rn. 8 a.E.; aA Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 9a Rn. 33), während das Berufungsgericht vor allem darauf abstellt, dass die vertragliche Aufteilung unter Beteiligung eines Bauträgers zum Zwecke des späteren Abverkaufs erfolgt. Gegen eine Ausweitung der Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers wird - zugleich als grundsätzliche Kritik an dem Rechtsinstitut - eingewandt, dass die Erwerber durch die schuldrechtlichen Regelungen des Erwerbsvertrags hinreichend geschützt würden (so für das neue Recht Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 293; vgl. auch die in dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes von August 2019 [ZWE 2019, 429, 435] wiedergegebene Diskussion).

[11] 4. Der Senat teilt im Wesentlichen die Auffassung des Berufungsgerichts.

[12] a) Im Ausgangspunkt spricht der Umstand, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft bei Abschluss der Erwerbsverträge infolge der Aufteilung gemäß § 3 WEG aF bereits entstanden war, nicht von vornherein dagegen, die Erwerber als werdende Wohnungseigentümer anzusehen. Nach Verkündung des Berufungsurteils hat der Senat nämlich - bezogen auf die einseitige Aufteilung gemäß § 8 WEG aF - geklärt, dass werdender Wohnungseigentümer auch derjenige ist, der nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne von dem teilenden Eigentümer Wohnungseigentum erwirbt und durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung und Übergabe der Wohnung eine gesicherte Rechtsposition erlangt. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob ein solcher Ersterwerb von dem teilenden Eigentümer während der eigentlichen Vermarktungsphase oder erst längere Zeit nach deren Abschluss erfolgt (vgl. Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 - V ZR 159/19, ZfIR 2020, 542 Rn. 9, 13 ff.). Die von der Revision dagegen erhobenen Bedenken sind nicht neu und geben keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber sich zwischenzeitlich durch die geänderten Vorgaben für die Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft dafür entschieden hat, die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft abzuschaffen (§ 9a Abs. 1 Satz 2 WEG; vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 45 f.); gleichwohl hat er ein fortbestehendes Bedürfnis für die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers gesehen und diese in § 8 Abs. 3 WEG kodifiziert (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 43 f.).

[13] b) Entscheidend ist deshalb, ob die Erwerber hier als Zweiterwerber oder aber wie Ersterwerber bei einer Aufteilung gemäß § 8 WEG aF behandelt werden müssen, so dass die Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu verneinen ist (vgl. oben Rn. 6). Für Letzteres sprechen die besseren Argumente. Bei einer Aufteilung durch Teilungsvertrag gemäß § 3 WEG aF kann derjenige, der seine Einheit von einem der teilenden Eigentümer erwirbt, als werdender Wohnungseigentümer anzusehen sein; das kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn aus objektivierter Erwerbersicht eine strukturelle Vergleichbarkeit mit einer einseitigen Aufteilung gemäß § 8 WEG aF durch einen Bauträger gegeben ist, weil das Gebäude seitens der teilenden Eigentümer errichtet oder grundlegend saniert und zumindest ein Teil der Einheiten im Zuge der Aufteilung veräußert werden soll.

[14] aa) Die entscheidende Regelungslücke, die den vorverlagerten Übergang der mitgliedschaftlichen Stellung im Wege der analogen Anwendung der wohnungseigentumsrechtlichen Regeln rechtfertigt, hat der Senat in dem "Demokratisierungsinteresse" der Erwerber, die eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition erlangt haben, gesehen. Die Wohnanlage muss schon ab Bezugsfertigkeit und Übergabe der verkauften Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden, was sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer überlassen bleiben, sondern unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer nach den Regeln erfolgen sollte, deren Geltung die Beteiligten ohnehin anstreben (vgl. Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 - V ZR 150/19, ZfIR 2020, 542 Rn. 15; Beschluss vom 5. Juni 2008 ­ V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 Rn. 12 a.E., 20). Entgegen vereinzelter Ansicht (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 289, 293) reichen individuelle Vereinbarungen in den jeweiligen Veräußerungsverträgen nicht aus, um die im Gesamtinteresse der Erwerber liegende "Demokratisierung" herbeizuführen. Zwar können bilaterale Vereinbarungen den Erwerberschutz bei dem sog. Zweiterwerb gewährleisten, weshalb insoweit kein Bedürfnis für einen vorverlagerten Übergang der mitgliedschaftlichen Stellung besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1988 - V ZB 6/88, BGHZ 106, 113, 121 a.E.). Aber von einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Gemeinschaft unterscheidet sich die Anfangsphase der Wohnungseigentümergemeinschaft strukturell. Insbesondere wegen der Geltendmachung von Mängelrechten bestehen typischerweise gegenläufige Interessen des teilenden Eigentümers einerseits und einer Mehrzahl von Erwerbern andererseits. Angesichts dieser "Lagerbildung" weisen von dem Veräußerer abgeleitete Rechte entscheidende Schutzlücken auf. So unterläge der Erwerber bei der praktisch wichtigen Verfolgung von Mängelrechten einem Stimmverbot, wenn der Bauträger Wohnungseigentümer bliebe und der Erwerber das Stimmrecht nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung ausüben könnte (§ 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG aF; zutreffend Reif, ZWE 2021, 35, 36). Zudem käme es auf den Inhalt des jeweiligen Erwerbsvertrags an, da insbesondere die Vorschrift des § 446 BGB abdingbar ist, und selbst eine zunächst erteilte Ermächtigung zur Ausübung des Stimmrechts könnte der Bauträger im Vorfeld der Eigentümerversammlung widerrufen. Der Vermeidung solcher Nachteile dient die langjährig anerkannte und nunmehr auch gesetzlich geregelte Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers, mittels derer den Erwerbern eigene (und nicht nur abgeleitete) mitgliedschaftliche Rechte zugebilligt werden.

[15] bb) Ob ein vergleichbares "Demokratisierungsinteresse" der ersten Erwerber nach einer Aufteilung durch Teilungsvertrag gemäß § 3 WEG aF typischerweise gegeben ist, lässt sich allerdings bezweifeln. Teilen gleichberechtigte Miteigentümer ein bestehendes Gebäude auf, um die entstehenden Einheiten für eigene Zwecke zu nutzen, wird die Wohnungseigentümergemeinschaft von ihrer Entstehung an nach den Vorgaben der einvernehmlich zustande gekommenen Gemeinschaftsordnung und im Übrigen nach wohnungseigentumsrechtlichen Regeln verwaltet. Das könnte dafür sprechen, eine spätere Veräußerung an Dritte im Regelfall als Zweiterwerb zu behandeln (für differenzierende Lösungen Häublein, in Wohnungseigentümer und ihre Gemeinschaft, 2012, S. 36, 73).

[16] cc) Einer abschließenden Entscheidung, die auch etwaige Abgrenzungsschwierigkeiten in den Blick nehmen müsste, bedarf es hier nicht. Ein Ersterwerb ist mit dem Berufungsgericht jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Teilungsvertrag aus objektivierter Erwerbersicht strukturell einer Aufteilung gemäß § 8 WEG aF durch einen Bauträger entspricht.

[17] (1) Will eine Mehrheit von teilenden Eigentümern ein Gebäude errichten oder grundlegend sanieren, sind in aller Regel interne Motive ausschlaggebend dafür, ob die Aufteilung nach § 3 WEG aF oder nach § 8 WEG aF erfolgt. Die Bruchteilsgemeinschaft kann bei einer Aufteilung nach § 8 WEG aF an den Einheiten fortgesetzt werden, oder es kann ein Teilungsvertrag nach § 3 WEG aF zwecks Aufteilung der Einheiten unter den bisherigen Bruchteilseigentümern geschlossen werden. Beide Gestaltungsvarianten kommen auch dann in Betracht, wenn der Eigentümer sein Grundstück zwecks Bebauung an einen Bauträger überlassen und im Gegenzug eine Wohnung in dem zu errichtenden Gebäude erhalten möchte ("Tausch mit dem Bauträger" im Wege des sog. "Anteilsmodells", vgl. dazu Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl., Rn. 1035; Basty, Der Bauträgervertrag, 10. Aufl., Rn. 91; Hügel, ZfIR 2008, 481, 485 f.; Albrecht, DNotZ 1997, 269 ff.; siehe auch DNotI-Report 2015, 33 ff.). Die Entscheidung, ob ein solcher Tausch mittels Aufteilung nach § 8 WEG aF oder durch Teilungsvertrag gemäß § 3 WEG aF vollzogen wird, beruht regelmäßig auf einer komplexen rechtlichen Abwägung (eingehend Albrecht, DNotZ 1997, 269 ff.).

[18] (2) Unabhängig davon, welche rechtliche Gestaltung die teilenden Eigentümer wählen, muss aus Sicht der Erwerber einem anerkennenswerten "Demokratisierungsinteresse" auf ihrer Seite Rechnung getragen werden. Bei einer Aufteilung nach § 3 WEG aF ist ein solches jedenfalls dann gegeben, wenn nach den Gesamtumständen dieselben gegenläufigen Interessen wie bei einer Aufteilung durch einen Bauträger nach § 8 WEG aF (vgl. Rn. 14) bestehen. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Gebäude im Zuge der Aufteilung errichtet oder grundlegend saniert und jedenfalls ein Teil der Einheiten veräußert werden soll. Wie bei einer Aufteilung nach § 8 WEG aF durch einen Bauträger kann sich unter diesen Voraussetzungen die Umschreibung im Grundbuch verzögern, weil die Erwerber den Kaufpreis unter Berufung auf Baumängel zurückbehalten, die Auflassung und Eigentumsumschreibung aber erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung geschuldet sind (vgl. zu der einseitigen Aufteilung Senat, Beschluss vom 5. Juni 2008 - V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 Rn. 12). Dann handelt es sich entgegen der Ansicht der Revision gerade nicht um eine typische Einzelrechtsnachfolge in einer voll eingerichteten Gemeinschaft, für die die Regeln des Zweiterwerbs angemessen sind (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1988 ­ V ZB 6/88, BGHZ 106, 113, 117 ff.).

[19] (3) Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist weder eine besondere Verbindung zwischen den teilenden Eigentümern noch eine Umgehungsabsicht (zusätzlich) erforderlich. Selbst wenn es an einer besonderen Verbindung zwischen den teilenden Eigentümern fehlt, wie es etwa einem "Tausch mit dem Bauträger" (vgl. Rn. 17) durch Teilungsvertrag vorstellbar ist, muss dem bestehenden "Demokratisierungsinteresse" der Erwerber Rechnung getragen werden; aus demselben Grund kommt es nicht darauf an, ob die vorangegangene Entscheidung für eine Aufteilung gemäß § 3 WEG aF zur Umgehung des werdenden Wohnungseigentums oder aus anderen, rechtlich nicht zu beanstandenden Motiven (vgl. zu solchen Motiven Rn. 17) getroffen worden ist.

[20] c) Daran gemessen sind hier die Erwerber als werdende Wohnungseigentümer zu behandeln mit der Folge, dass die Klägerin nicht (mehr) anfechtungsbefugt ist. Das Gebäude sollte von der Klägerin errichtet und eine Vielzahl von Einheiten sollte veräußert werden. Nach den Gesamtumständen ist ein Unterschied zu einer Teilung nach § 8 WEG aF durch einen Bauträger aus Erwerbersicht nicht erkennbar. Insbesondere ändert die Tatsache, dass eine der Einheiten von der Schwestergesellschaft gehalten werden sollte, nichts an der Interessenlage der übrigen Erwerber im Verhältnis zu der Klägerin. Die von dem Berufungsgericht ergänzend angeführte enge Verbindung der teilenden Eigentümer ist dagegen nicht entscheidend, so dass es auf die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge schon deshalb nicht ankommt; soweit die Klägerin in Abrede nehmen will, dass es sich bei der Teileigentümerin um eine Schwestergesellschaft mit demselben Geschäftsführer handelt, hätte sie die Unrichtigkeit dieser tatbestandlichen Feststellung ohnehin nur in einem Berichtigungsverfahren geltend machen können (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 277/10, NJW 2011, 3294 Rn. 12 mwN).

[21] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner

Göbel Haberkamp

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